archivierte Ausgabe 3/2010 |
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Margit Eckholt |
Die ambivalente »Rückkehr der Religion« |
Zur Bedeutung einer verantworteten Gottesrede im Gespräch der Kultur und im Dialog der Wissenschaften heute |
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1. Einführung – von der Anekdote zur wissenschaftlichen Fragestellung: eine neue »Apologie« der Theologie als Wissenschaft
»Rückkehr der Religion« ist ein Stichwort, das in religionssoziologischer Perspektive seit einigen Jahren diskutiert wird. Für die christlichen Theologien und Kirchen ist damit ein radikaler Perspektivenwechsel verbunden, der alte Selbstverständlichkeiten einer Beheimatung der Theologie als Glaubenswissenschaft »im Spannungsfeld von Wissenschaft und Kirche« (Max Seckler) aufbricht. Wenn ich auf meinen eigenen Bildungs-Weg zurückschaue, der mich über die Stationen in einem protestantisch geprägten Tübingen, dem säkularisierten Poitiers, einer von recht divergenten Katholizismen – basisbewegt bis lefebrevistisch – gezeichneten Großstadt wie Santiago de Chile und zuletzt im oberbayerischen und in vielem noch recht bodenständig volkskatholischen Benediktbeuern an den Rand des Teutoburger Waldes nach Osnabrück geführt hat, so ergibt sich ein buntes Bild der Wahrnehmung von Religion und der Ausdrucksformen des Christlichen und Katholischen bereits in der Rückschau auf zwanzig Jahre einer einzelnen Biographie. Aus der noch von volksreligiösen Traditionen geprägten oberbayerischen Landschaft hat mich der Weg in den Norden Deutschlands geführt, in dem die Präsenz des Katholischen und des Christlichen eine ganz andere ist. Von den neu geborenen Kindern werden in Osnabrück noch 20 Prozent katholisch getauft, in Städten wie Bremen ist die Zahl der Christen und Christinnen rückläufig, es werden nicht Feste wie im Oberbayerischen gefeiert, in denen die traditionelle Präsenz des Christlichen Gesellschaft, Kultur und Kirchen noch verbindet, sondern es sind »Kirchenaustrittsfeiern«, wie ich von einer Seelsorgerin der City-Pastoral in Bremen gehört habe. Sichtbar werden hier andere Religionen und neue Formen des Christlichen, die Migranten und Migrantinnen mit nach Deutschland gebracht haben, ein buntes Bild – Islam, Hinduismus, Sikhs, neue Formen eines afrikanischen Christentums, charismatisch, bunt, nicht mehr genau einzuordnen, vielleicht basisbewegt, vielleicht fundamentalistisch.
Im ersten Hauptteil des vorliegenden Beitrages werde ich auf diesen Perspektivenwechsel eingehen und den gegenwärtigen neuen kulturellen Kontext, in den hinein die Theologie ihre Aufgabe einer verantworteten und verantwortlichen Glaubensreflexion zu klären hat, beleuchten. Es kann nicht mehr als ein – Fragment bleibendes – Schlaglicht sein, das aus dem Gespräch mit Religionssoziologie und Politikwissenschaften formuliert ist. Mit sehr unterschiedlichen Stichworten werden die gegenwärtigen kulturellen und religiösen Transformationsprozesse charakterisiert: Globalisierung, Rückkehr oder Wiederkehr der Religion, »clash of civilizations«, Religionen und Gewalt usw., es sind neue Debatten im europäischen – und vor allem deutschen – Kontext, die die Auseinandersetzung mit der Postmoderne ablösen. Diese hat systematischtheologisches Arbeiten noch in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts geprägt und zu einer sich an philosophischen Binnendiskursen orientierenden Reflexion geführt, eher ein Abschluss nach innen, der für die systematische Theologie eine immense Pluralisierung bedeutet hat und die alte Frage eines Karl Rahner nach dem »Einen« und »Ganzen« der Theologie aufgelöst hat in eine Vielfalt von Facetten des Christlichen. Interessant ist nun, dass mit Beginn des neuen Jahrtausends, auch im Zuge einer neuen Wahrnehmung der vielfältigen Migrationsgeschichten im europäischen Kontext, die Pluralisierung des Religiösen im »Außen« von christlichem Glauben, Kirche und Theologie auf eine ganz neue und radikale Weise zu einer Herausforderung der christlichen Theologie wird – ich denke zu einer ganz radikalen Herausforderung. Religion bzw. Religionen werden zu einem neuen, spannenden Faktor der Kultur, der aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven beleuchtet wird. Die christlichen Theologien verlieren das »Monopol« einer Reflexion auf religiöse Phänomene und müssen ihren wissenschaftlichen Anspruch und ihre Aufgabe der verantworteten Glaubensreflexion in einer ganz neuen Weise formulieren, wenn sie ihren Ort an der Universität behaupten wollen. Unsere Zeiten sind solche einer neuen »Apologie« christlichen Glaubens – der Wissenschaftscharakter der Theologie wird nicht nur von eingefleischten »Naturalisten« oder »neuen Atheisten« angefragt. Die Bemerkung eines – an religiösen Fragen interessierten – Gaststudenten in meinem Lektüreseminar zu John Henry Newman, hier werde er einmal auf »andere« Weise an Fragen der Religion herangeführt, wo das in seinen Fächern – der Geschichte und Romanistik – doch auf wissenschaftliche Weise geschehe, ist sicher bezeichnend für diese Entwicklung. Eine vom »Glauben« angeleitete, das heißt im Horizont religiöser Erfahrung verortete Reflexion – und das ist ja die klassische Definition von Theologie als Glaubenswissenschaft – scheint nicht mehr mit dem Mainstream-Wissenschaftsverständnis zu tun zu haben und so wohl auch eigentlich keinen Ort mehr an der Universität zu haben.
Diese Aufgabe der »Apologie« des Wissenschaftscharakters der Theologie und damit des Existenzrechts der Theologie an der Universität wird auch nicht abgeschwächt durch die »guten Noten«, die der Wissenschaftsrat in seinen am 29. Januar 2010 veröffentlichten »Empfehlungen« zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an Hochschulen den christlichen Theologien ausgestellt hat. Sicher stellen die Empfehlungen für Standorte wie die Universität Osnabrück, an denen Theologien an Instituten zur Religionslehrerausbildung gelehrt werden, eine besondere Wertschätzung und Förderung dar, und gerade die Universität Osnabrück gehört zu den Orten, die der Wissenschaftsrat in besonderer Weise in den Blick nimmt – eben Zentren, an denen neben den christlichen Theologien auch jüdische und islamische Studien »promoviert« werden sollen, gerade auch zur fundierten Ausbildung von Religionslehrern und -lehrerinnen jüdischen und muslimischen Glaubens. Ich habe immer noch die Äußerung eines für den Bildungsbereich zuständigen Kirchenvertreters im Ohr, der ein wenig flapsig formulierte, der Islam »rette« im Augenblick die katholische Theologie. Dahinter verbirgt sich die Einschätzung, dass die Zukunft der christlichen Theologien im universitären Kontext nicht unangefochten ist und dass auch Koalitionen mit jüdischen und muslimischen Kollegen und Kolleginnen – so wichtig ganz unbestritten Zusammenarbeit, Dialog, ein besseres Kennenlernen der Traditionen der »Anderen« ist – im Blick auf den Stellenwert der Theologien an der Universität im Grunde einen offenen Ausgang haben. Was die katholische Theologie in ihrer bisherigen Form noch stützt, ist die konkordatäre Absicherung von Theologie und Religionsunterricht im öffentlichen Bereich – aber eine solche Kooperation von Staat und Kirche bzw. Religionsgemeinschaft wird nicht von allen Religionsvertretern gewünscht. Aus jüdischer Perspektive werden Kulturwissenschaften gefördert, in deren Rahmen das Studium der Religionen aus ihren eigenen Quellen ein Zuhause finden soll, das soll dann aber nicht mehr eine »Theologie« sein, die ihren Ort im Spannungsfeld von Wissenschaft bzw. säkularer Universität und Ortskirche bzw. Religionsgemeinschaft definiert, wo dann die Kirche Mitsprache bei den Lehrinhalten, Prüfungen und Berufungen von Professoren und Professorinnen hat. Die »Rückkehr der Religion« ist – auf dieser Ebene – zutiefst ambivalent für die christliche bzw. – so meine Perspektive – die katholische Theologie und wird diese in Zukunft in einer radikalen Weise verändern und pluralisieren und die Grenzen zwischen Theologie und Kultur- bzw. Religionswissenschaften verwischen. [...]
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