archivierte Ausgabe 4/2021 |
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Leseprobe 2 |
DOI: 10.14623/thq.2021.4.477–488 |
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Magnus Striet |
Nicht anders zu erwarten: Römisches Echo auf Gemeinsam am Tisch des Herrn |
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Zusammenfassung Das Votum „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen (ÖAK) wurde teils freundlich begrüßt, sah man doch in dem Votum die konsequente Fortschreibung der bisher erzielten ökumenischen Konsense, und teils heftig kritisiert. Der Beitrag konzentriert sich auf die Kritik, wie sie aus dem Bereich der katholischen Theologie zu hören war. Dabei läuft die Frage mit, ob es überhaupt weitere Annäherungen geben kann, wenn es keine Änderungen im Amtsverständnis auf der Ebene der derzeitigen vom römischen Lehramt vertretenen Theologie gibt.
Abstract The statement “Gemeinsam am Tisch des Herrn” (Together at the Lord's Table) of the Ecumenical Working Group of Protestant and Catholic Theologians (ÖAK) was in part warmly welcomed as a consistent continuation of the ecumenical consensus reached so far, and in part criticized strongly. The article focuses on the criticism as it was to be heard from the Catholic theology. Along with that the question arises whether there can be any further rapprochement at all without any changes in the understanding of ministry on behalf of the current theology represented by the Roman Magisterium.
Schlüsselwörter/Keywords Kritik am Votum „Gemeinsam am Tisch des Herrn“; ökumenische Konsensentwicklung; Amtsverständnis; Realpräsenz; apostolische Sukzession Criticism of the statement „Gemeinsam am Tisch des Herrn“; ecumenical consensus development; understanding of ministry; real presence; apostolic succession
Es war zu erwarten, dass es unmittelbar nach der Veröffentlichung des Votums „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ (GTH) des seit Jahrzehnten um Annäherung und konsensuelle Verständigung bemühten Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen (ÖAK) zu Diskussionen kommen würde. Jedenfalls auf der Ebene der Fachtheologie. Und ebenso war vorhersehbar, dass es römischerseits zu einer Reaktion kommen würde. Mich hat dies nicht überrascht. Gleichzeitig hat Volker Leppin als evangelischer wissenschaftlicher Leiter des ÖAK in einem Interview auf die großartige ökumenische Gemeinschaft hingewiesen, wie sie in vielen deutschen Gemeinden längst Realität geworden sei. Ob deshalb gleichzeitig tatsächlich noch von einer „Not“ zu sprechen ist, die in „evangelischen und katholischen Gemeinden dauerhaft gegenwärtig“ sei – schließlich ist ja der Dissens in der Eucharistie- beziehungsweise in der Abendmahlsfrage katholischerseits bis heute nicht aufgehoben – bedürfte einer empirischen Überprüfung. Es könnte auch sein, dass eine gegenseitige Akzeptanz längst mehr oder weniger Usus ist und kaum noch jemand „Not“ empfindet, wenn es um die Frage geht, ob sie/er sich eingeladen fühlt oder nicht.
Nun lässt sich gegen einen solchen Verdacht bezüglich der aktuellen Situation ‚vor Ort‘ natürlich einwenden, dass selbst dann, wenn sich dieser erhärten sollte, das Faktische nicht aus sich selbst heraus normative Ansprüche entwickeln kann. Soziale Praktiken sind begründungspflichtig, und liturgische Praktiken sind als soziale und dem historischen Wandel unterworfene Praktiken zu beschreiben. Wäre dem nicht so, gäbe es nur die eine objektiv gültige, dem Menschen vorgegebene und deshalb von allen Menschen zu allen Zeiten und an allen Orten nach den entsprechenden Vorgaben zu feiernde göttliche Liturgie. Dem ist offensichtlich nicht so, und dem war auch nie so.
Gibt es eine überkonfessionell geteilte Praxis von Eucharistieund Abendmahlsfeier, so ist zu begründen, warum dies so sein kann. Wenn herangezogene Gründe von sich überzeugen wollen, sind diese transparent zu machen, um überprüfbar zu werden. Umgekehrt gilt aber auch, dass unter Begründungsdruck gerät, wer eine Praxis als einer Sache nicht angemessen kritisiert. Dies gilt jedenfalls in einer nicht-kirchlichen Öffentlichkeit, sofern diese Öffentlichkeit die Öffentlichkeit eines liberalen Gesellschafts- und Staatssystems ist. Die dem Brief des Präfekten der Glaubenskongregation Luis F. Kardinal Ladaria an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing hinzugefügten Lehrmäßigen Anmerkungen zu GTH lassen sich zwar, jedenfalls formell, auf das Unterfangen eines solchen Begründungsgeschäfts ein. Sie sind aber im Tonfall, der doch sehr einer Rhetorik absoluten Wissens gleicht, und wohl auch im Anspruch, um es vorsichtig zu sagen, recht apodiktisch: Zwar wird zu einem weiteren theologischen Arbeiten ermuntert, festgestellt wird aber auch, dass „die noch bestehenden Divergenzen im Eucharistie- und Amtsverständnis zwischen der katholischen Kirche und den Reformatorischen Traditionen es bisher immer noch nicht“ erlaubten, „Abendmahl und Eucharistie im theologischen Sinngehalt gleichzusetzen.“ Die Lehrunterschiede seien „immer noch so gewichtig, dass sie eine wechselseitige Teilnahme am Abendmahl bzw. an der Eucharistie derzeit“ ausschlössen. Das doppelt gebrauchte „immer noch“ lässt zwar die Möglichkeit offen, dass man sich noch angleichen könnte – gleichzeitig wird aber klar signalisiert, wie eine solche Annäherung aussehen müsste. Der Präfekt der Glaubenskongregation spricht nicht von den Kirchen der Reformation, sondern von „Reformatorischen Traditionen“. Ich lasse mich gerne eines anderen belehren, aber: Von Kirchen wird wohl deshalb nicht gesprochen, weil innerhalb dieser Traditionen das Amt gemäß römisch-katholischem Verständnis fehlt und insofern ein Defekt vorliegt. Und weil dem so ist, so die unausgesprochene Logik des Briefes, kann und darf – weil vorausgesetzt wird, dass das Amt, wie es in der katholischen Kirche verwirklicht ist, von Christus selbst so eingesetzt ist – die Feier der Eucharistie auch nicht mit der Feier des Abendmahls gleichgesetzt werden. Dies bedeutet nicht nur, dass das römische Lehramt Gläubigen aus den Kirchen der Reformation untersagt, an katholischen Eucharistiefeiern teilzunehmen, weil sie nicht in der vollen Kirchengemeinschaft leben. Sondern zugleich wird es katholisch Gläubigen untersagt, einer Einladung zur tätigen Mitfeier des Abendmahls zu entsprechen. Eine entsprechende „individuelle Gewissensentscheidung“ wird aufgrund der festgestellten bleibenden theologischen Divergenzen ausdrücklich ausgeschlossen. [...]
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