archivierte Ausgabe 4/2017 |
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Leseprobe 2 |
DOI: 10.14623/thq.2017.4.337-358 |
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Rosel Oehmen-Vieregge |
Sacra potestas – Ein Schlüsselbegriff des Zweiten Vatikanischen Konzils? |
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3.3 Plädoyer für Eindeutigkeit in der Terminologie und eine Erweiterung des Interpretationshorizontes
Die geradezu paradox anmutende Wirkungsgeschichte des Konzils liegt auch darin begründet, dass auf der semantischen Ebene klassische kanonistische Terminologie (potestas ordinis, potestas iurisdictionis) zurückgedrängt wurde. Ein wesentlicher Kritikpunkt an den ersten Textentwürfen zu Lumen gentium war der juridische Sprachstil, der einem pastoralen Sprachduktus weichen sollte. In der Konsequenz wurde die Kirchenkonstitution gleichsam zur Verfassung der katholischen Kirche, aber ohne die Sprache des Kirchenrechts.
Die Interventionen deutscher Konzilsväter, die eine klare Terminologie in der Gewaltenlehre anmahnten, blieben ohne Wirkung, sodass aus rezeptionsgeschichtlicher Perspektive die Ursachen für ambivalente Lehrauffassungen nicht allein inhaltlich argumentativer Natur, sondern darüber hinaus auch semantischer Natur sind.
Der US-amerikanische Theologe John W. O‘Malley charakterisiert das Zweite Vatikanische Konzil in seiner sprachanalytischen Studie als „language-event“ und beschreibt, wie sich die Sprache der katholischen Kirche gewandelt habe von einer negativen, abwehrenden Terminologie zu einem offenen, kommunikativen Sprachstil. Der Begriff sacra potestas fügt sich allerdings nicht in diesen Transformationsprozess. Er steht vielmehr für Exklusion und Abgrenzung, wie der textgeschichtliche Ansatz dieser Studie nachweisen konnte: Die heilige Gewalt, mit der an erster Stelle priesterliche Herrschaft und erst an zweiter Stelle der Heiligungsdienst in Verbindung gebracht wird, wird in der Kirchenkonstitution Lumen gentium zum Unterscheidungsmerkmal zwischen Klerus und Laienstand (n. 10 und n. 18). Von hier aus war es nicht mehr weit – wie es Matthäus Kaiser bereits 1969 einschätzte – die sacra potestas mit der Regierungsgewalt der Kirche zu identifizieren,108 die dem Weiheamt, insbesondere den Bischöfen, die ihr Leitungsamt auch mit heiliger Gewalt ausüben (Lumen gentium n. 27), vorbehalten bleibt.
Die Offenheit des Konzils für theologische Entwicklungen in der kirchlichen Gewaltenlehre und seine Politik des Nicht-Entscheidens haben aus dem vorkonziliaren Begriff sacra potestas eine sacra-potestas-Lehre entstehen lassen, die mit Kollegialität und Subsidiarität auf allen kirchlichen Ebenen unvereinbar erscheint und strukturwie ämterrechtliche Reformen in der katholischen Kirche blockiert. Ein halbes Jahrhundert nach Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils bedarf es daher alternativer Interpretationshorizonte – auch aus internationaler Perspektive –, um rezeptionsgeschichtlich entstandene Einseitigkeiten zu überwinden und Überbewertungen zu relativieren, damit die katholische Kirche eine „Kirche der Teilhabe“ wird. [...]
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