archivierte Ausgabe 2/2020 |
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Leseprobe 2 |
DOI: 10.14623/thq.2020.2.110–134 |
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Peter Gemeinhardt |
Patristik – Historische Theologie – Christentumsgeschichte? |
Neuere Perspektiven evangelischer Geschichtsschreibung der Alten Kirche |
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III. Interdisziplinäre Brückenschläge und enzyklopädische Verortungen
Von Interdisziplinarität war oben schon die Rede. Sie soll nun noch einmal im Hinblick auf die Beteiligung von Patristikerinnen und Patristikern an Forschungsverbünden konkretisiert werden, während die unzähligen individuellen Kooperationen mit Kolleginnen und Kollegen anderer Fächer hier nicht eigens gesichtet werden können. In Bezug auf Verbünde stellt sich jedoch die Frage, welche Bestandteile des klassischen patristischen Themenkanons sich in die Zusammenarbeit mit nichttheologischen Fächern einspeisen lassen. Man könnte zugespitzt den Verdacht äußern, dass die Einladung zu solchen Kooperationen sich einem Interesse anderer Disziplinen eher an der historischen als an der theologischen Kompetenz der Patristik verdanken. In der Selbstsicht des Fachs ist das kein Gegensatz, praktisch aber möglicherweise schon. Umgekehrt kann die Patristik von interdisziplinärer Zusammenarbeit erheblich profitieren – das ist fachintern Konsens; welchen Mehrwert dafür Forschungsverbünde haben, ist weniger geklärt. Dem soll in einem kursorischen Überblick nachgegangen werden.
Dass geisteswissenschaftliche Fächer sich überhaupt in größeren Verbünden mit Mitteln der jeweiligen nationalen Fördergeber (DFG, FWF, SNF) oder anderer Institutionen organisieren, muss selbst schon zu den neueren Entwicklungen gerechnet werden. Ob dies neue Horizonte eröffnet oder die Beteiligten vom „Eigentlichen“ abhält, ist umstritten, gerade weil der Trend zur projektförmigen „Exzellenz“ im deutschen – und auch im österreichischen und schweizerischen – Wissenschaftssystem sich nicht unmittelbar aus den Forschungslogiken der Geistes- und Kulturwissenschaften ableitet und das Interesse von Universitätsleitungen an „sichtbaren“ Vergemeinschaftungen von Fächern und Personen jedenfalls auch auf die Kurzsichtigkeit der Verantwortlichen hindeuten könnte. Bisweilen wird aber auch Skepsis geäußert, ohne schon selbst Erfahrung mit Verbundprojekten gesammelt zu haben. Ohne die (im Wortsinne) Frag-Würdigkeit aktueller Förderlogiken zu bestreiten, sei bis zum Erweis des Gegenteils vorausgesetzt, dass sich die im Folgenden zu skizzierenden Beteiligungen von Patristikern und Patristikerinnen an Verbundprojekten aus der Logik der Forschung ergeben und diese wiederum unterstützt haben – übrigens auch durch Resultate in Form „klassischer“ kirchengeschichtlicher Monografien.
An Forschungsverbünden, in die Patristiker involviert waren, sind ab Ende der 1990er-Jahre zu nennen: in Jena das Graduiertenkolleg 344 „Leitbilder in der Spätantike“ (1998–2007) und das Schwerpunktprogramm 1080 „Römische Reichsreligion und Provinzialreligion“ (2000–2006), in Bonn der Sonderforschungsbereich 534 „Judentum – Christentum. Konstituierungs- und Differenzierungsprozesse in Geschichte und Gegenwart“ (1999–2003). Dabei handelte es sich um Projekte unterschiedlichen Zuschnitts, teils auf eine bestimmte Epoche begrenzt, teils epochenübergreifend, einerseits phänomenbezogen, andererseits religionsvergleichend angelegt, in enger Verbindung zu einer Grundfrage theologischer Wissenschaft wie dem Verhältnis zum Judentum oder von der allgemeineren Frage nach Gestaltwerdungen von Religion in der Antike herrührend. Eher aus der theologischen Perspektive ergab sich die Fragestellung für das Göttinger Graduiertenkolleg 896 „Götterbilder – Gottesbilder – Weltbilder“ (2004– 2012), das der Vielfalt von Monotheismen und Polytheismen in der antiken Welt nachging. In anderen Projekten stand zumeist eine kulturwissenschaftliche oder auch rezeptionsgeschichtliche Fragestellung im Blickpunkt, letzteres etwa in den Berliner Sonderforschungsbereichen (SFB) 644 „Transformationen der Antike“ (2005–2016) und 980 „Episteme in Bewegung“ (seit 2012). Offenere, nicht primär auf Religiöses bezogene Themenstellungen wurden bzw. werden mit patristischer Fokussierung in Exzellenzclustern in Berlin („TOPOI“, 2007–2018) und Bonn („Beyond Slavery and Freedom“, seit 2019) verfolgt, im Tübinger SFB 923 „Bedrohte Ordnungen“ (seit 2011) und in der Göttinger Forschungsgruppe 2064 „STRATA. Stratifikationsanalysen mythischer Stoffe und Texte in der Antike“ (2016–2019). Vergleichbares gilt für Zentren wie das „Einstein Center Chronoi“ in Berlin, das „Münchner Zentrum für Antike Welten“ oder das Göttinger „Centrum Orbis Orientalis et Occidentalis“. Notiert sei, dass in jüngerer Zeit nur wenige Verbundprojekte ausdrücklich „Religion“ im Titel tragen – unter denen mit patristischer Beteiligung sind es lediglich der Göttinger SFB 1136 „Bildung und Religion“ (2015–2020) und die Interfakultäre Forschungskooperation „Religious Conflicts and Coping Strategies“ in Bern (2018–2022); es mag kein Zufall sein, dass beide Projekte sogar aus der Patristik initiiert wurden. [...]
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