archivierte Ausgabe 4/2013 |
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Michael Theobald |
Haben die Christen Jesus nach Ostern „vergöttlicht“? |
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In seinem 2000 erschienenen Werk „Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums“ hat Gerd Theißen sich ausführlich mit dem historischen Jesus und der Entstehung der nachösterlichen Christologie befasst. Die Frage, die er stellt, lautet nicht, ob die Christen den jüdischen Propheten und Charismatiker Jesus nach Ostern „vergöttlichten“, sondern wie sie dazu kamen. Das „Faktum“ selbst setzt er voraus, wobei er eine „kontinuierliche[…] Steigerung der Hoheit Jesu in der Zeit nach Ostern“ meint feststellen zu können, die mit dem Johannesevangelium und seiner „Vergöttlichung des irdischen Jesus ihren Höhepunkt“ erreicht habe.
Angesichts der gravierenden theologischen Konsequenzen, die eine solche Diagnose besäße, träfe sie uneingeschränkt zu, gehen die folgenden Ausführungen einen Schritt zurück und erörtern die Frage, ob die frühen Christen den Menschen Jesus nach Ostern tatsächlich „vergöttlicht“ haben bzw. ob die Rede von seiner „Vergöttlichung“ mit den neutestamentlichen Zeugnissen kompatibel ist. Gebräuchlich ist sie seit den Zeiten der Aufklärung, als sich die kritische Jesus-Forschung anschickte, den wahren Jesus hinter dem kirchlichen Dogma ausfindig zu machen. Heute kommt das tief sitzende Vorurteil derer, die dem Islam anhängen oder sich von ihm angezogen fühlen, erschwerend hinzu: Die Christen hätten mit ihrem Glauben an den „Gottessohn“ etwas aus Jesus gemacht, was er vorher nicht war: aus einem Propheten ein göttliches Wesen, das die Einzigkeit Gottes in Frage stellt. Bei Theißen bezieht sich das Stichwort „Vergöttlichung“ nicht nur auf die von den Christen behauptete himmlische „Erhöhung“ Jesu nach seinem Tod, sondern auch auf sein irdisches Leben. Dieses sei durch Rückprojektion der mit Ostern gegebenen „unendliche(n) Wertsteigerung der Person Jesu“ „zu göttlichem Rang“ oder „göttlichem Status“ nachträglich in göttliches Licht getaucht worden.
Theißen verortet seine Darstellung in einem „interdisziplinären Diskurs“ auf der Basis „allgemeine(r) religionswissenschaftliche(r) Kategorien“, die eine Außenperspektive erfordern. Zu ihnen gehört auch die hellenistische Kategorie der „Vergöttlichung“ oder „Divinisierung“ von Menschen. Diese konnte vor oder nach ihrem Tod erfolgen, betraf Heroen der Vorzeit, wohltätige Ausnahmemenschen wie wundertätige Charismatiker, aber auch Kaiser und Könige. In Ciceros Dialog „Vom Wesen der Götter“ findet sich eine Beschreibung des Phänomens, die veranschaulicht, wie sich die Kategorie der „Vergöttlichung“ aus zeitgenössischer Sicht darstellt:
„Es ist aber im Leben und im Brauchtum der Menschen zur Gewohnheit geworden, Männer, die sich durch Wohltaten hervortaten (beneficiis excellentes viros), in den Himmel zu erheben, aufgrund ihres Ruhmes, aber auch durch willentliche Setzung (in caelum fama ac voluntate tollerent). Von daher wurden Hercules, Castor und Pollux, Aesculap, auch Liber (= Dionysos) […] (zu Göttern). Da ihre Geister bleiben und Ewigkeit genießen (quorum cum remanerent animi atque aeternitate fruerentur), wurden sie mit Recht für Götter gehalten (rite di sunt habiti); sie waren ja auch (in ihrem sittlichen Verhalten) die besten und ewig (cum et optimi essent et aeterni)“ (II 62).
Wählt man statt der religionswissenschaftlichen Außenperspektive auf das Neue Testament eine Innenperspektive, ergibt sich ein anderes Bild. So würde etwa der vierte Evangelist niemals zugestehen, die Christen hätten Jesus „vergöttlicht“, erst recht nicht, er selbst habe sich „Gott gleich gemacht“ (vgl. Joh 5,18; 10,33–38; 19,7). Gott war es, der Jesus seine Würde verliehen hat. [...]
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