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Ausgabe 4/2010


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Leseprobe 1
Albert Biesinger
Wider die Versteppung des Glaubens in den Gemeinden

»Am kommenden Sonntag kein Gottesdienst.« Das ist nicht erfunden, sondern wurde im August 2010 in den Mitteilungen einer Kirchengemeinde in Deutschland publiziert. Die Reaktion eines Kollegen an einer Theologischen Fakultät: »Die Menschen fahren ja auch zum Einkaufen in den nächsten Ort, dann sollen sie doch auch am Sonntag einen Bus chartern, der sie zum Gottesdienst in die zehn Kilometer weit entfernte Gemeinde fährt.« Der Mann kann sich offensichtlich nicht in die familienbiographische Situation einer jungen Familie am Sonntagmorgen hineinversetzen.

Die Zahl der Gottesdienstteilnehmer hat von 20,9 % im Jahr 1991 auf 13 % im Jahr 2009 auffällig abgenommen. Die Diskussion darüber allein auf den Mangel an Priestern zu konzentrieren wäre analytisch kurzsichtig, aber in immer mehr Gemeinden ist die regelmäßige Sonntags-Eucharistiefeier aufgrund des Fehlens eines Priesters generell gefährdet. Eucharistietheologisch ist jedoch vorausgesetzt, dass in überschaubaren Einheiten bzw. in Gemeinden am Sonntag Priester die Eucharistie feiern. Längst sind Modelle für differenzierte Zugänge zur Priesterordination diskutiert. Joseph Ratzinger schlug bereits 1970 vor: »Sie (die Kirche 2000) wird gewiss auch neue Formen des Amtes kennen und bewährte Christen, die im Beruf stehen, zu Priestern weihen: In vielen kleineren Gemeinden bzw. zusammengehörigen sozialen Gruppen wird die normale Seelsorge auf diese Weise erfüllt werden. […] Daneben wird der hauptamtliche Priester wie bisher unentbehrlich sein.«

Diesem Plädoyer für die »viri probati« analog zu den Diakonen mit Zivilberuf kann man sich nur anschließen – ungeachtet möglicher Einwände; denn auch als das II. Vatikanische Konzil das Institut der »ständigen Diakone« wieder einführte, wurden Bedenken wegen des Zugangs auch für Verheiratete laut, und heute sind die »ständigen Diakone« die weltweit am schnellsten wachsende Gruppierung im Ordinationsbereich der römisch-katholischen Kirche. Frauen als Diakoninnen sind der wichtige nächste Schritt.

Wir werden in der Zukunft viele Priester mit Zivilberuf brauchen, um die erfahrbare Nähe der eucharistischen Berührung in den Lebensräumen der Menschen spürbar und erlebbar feiern zu können; die allermeisten Menschen leben auch in globalisierten Zeiten nun einmal in überschaubaren Lebensräumen. Ein Dorf mit 3.000 Einwohnern, ein Stadtquartier mit 5.000 Menschen sind solche Räume. Diese Tradition der Nähe zu den Menschen hat die Kirche über Jahrhunderte realisiert.

Gotteskommunikation braucht konkrete Glaubenskommunikation

Viele Menschen erleben und erfahren die christliche Gottesbeziehung nicht (mehr) als alltagstauglich und für ihr Leben relevant. Doch dort, wo sie im Unterschied zu diesem allgemeinen Trend kirchliche Rituale als »Lebenswende«, als lebensbegleitend wahrnehmen und als hilfreich einstufen – Taufe, Erstkommunion, Firmung, Beerdigungsrituale –, sind sie angesprochen und vollziehen diese Rituale nach wie vor in hohem Maße mit.

Dass die Zahl der kirchlichen Hochzeitsliturgien von 116.332 im Jahr 1990 auf 48.765 im Jahr 2009 und der Taufen von 299.796 (1990) auf 179.081 (2009) zurückgegangen ist und dass sich viele gemischtkonfessionelle Paare entschlossen haben, ihre Kinder in der evangelischen Kirche taufen zu lassen, wäre gesondert zu diskutieren.

Insgesamt aber steht auch für diese (noch) innerhalb der Kirche vollzogenen Situationen die Qualität der kirchlichen Verkündigung und der Glaubenskommunikation in den lebensweltlichen Segmenten von Ehe/Lebenspartnerschaft, Familien (in verschiedenen vorfindbaren Konstellationen), Schule, Arbeitswelt, Freizeitstrukturen, Medienprofilen zur Debatte:

- Im konkreten Familienalltag ereignen sich die »sakramentalen Situationen« von Menschen in familialen Bezügen, an denen sich die jeweils biographische Wahrheit über die Gottesbeziehung zeigt. Dies muss in Sakramentenpraxis und -katechese entsprechend aufgenommen werden.

- Eine Theorie- und Praxiskonzeption von Gemeindekatechese im Blick auf Familien, welche die historisch gewachsenen Familienrealitäten und systemischen Familienbeziehungen, ihre Familienthemen und die familiale kommunikative Praxis bezüglich dieser Themen in ihrer christlich-religiösen Dimension außer Acht lässt oder nur am Rande streift, sich stattdessen ausschließlich in die punktuelle Vermittlung traditioneller »ekklesialer Riten« investiert und dabei vornehmlich auf ekklesialen, sakramententheologischen, näherhin liturgiekatechetischen Themen insistiert, greift ins Leere und stiftet über kurz oder lang Ex-Communio, zumindest was die Gemeinschaftsbildung, geschweige denn die Gemeindebindung betrifft.

- Christlich orientierte Familien sind hinsichtlich der innerfamiliären Glaubensweitergabe, -praxis und -kommunikation in einer »nachchristlichen Gesellschaft« mit all ihren häufig beschriebenen Konsequenzen für das Glaubenlernen (Ermangelung adäquater Erfahrungsräume; Pluralisierung weltanschaulicher Überzeugungen und Lebensstile, Abschmelzen des Gemeindemilieus) zunehmend auf sich gestellt und damit überfordert.

- Andererseits verzehren sich gemeindekatechetische Bemühungen in der gemeindlichen Praxis weitgehend durch eine kräfteraubende und von der intra- und interfamiliären Glaubenskommunikation abgekoppelte Kinderkatechese mit gelegentlicher Elternarbeit unter dem Inhalts- und »Zeitdruck sakramentaler Termine« (Dieter Emeis). Oft erfolglos, doch nicht folgenlos:

- Für die Familien, die »Communio« leben wollen, bleibt unter den gegenwärtigen kirchlichen Rahmenbedingungen keine Zeit einer intensiveren katechetischen Begleitung zur »Subjektwerdung«, und diejenigen die »etwas« von der »Communio« wollen, fühlen sich durch ausgedehnte Vorbereitungszeiten rasch überfordert.

- Einfache Lösungen sind nicht in Sicht. Ideologischer Rigorismus durch strengere Zugangsbedingungen führt zur Ausgrenzung von Familien und die Kirche ins gesellschaftliche Abseits, faule Kompromisse führen zum schleichenden Identitätsverlust, konzeptionell differerenzierte Parallelstrukturen zur Qual der Wahl der Adressaten und zur Überforderung des Leitungsteams.

- Geht es in der Gemeindekatechese wirklich um eine nachhaltige Förderung der Glaubenskommunikation in den Familien, dann darf sie ihre gesamten pastoralen Ressourcen nicht länger in unverbunden aufeinander folgenden, punktuell aufgeblähten katechetischen Interventionen anlässlich der (berechtigten) Bitte um die Sakramente verschleißen. Vielmehr sollte sie sich kontinuierlich den biographischen und situativen Knotenpunkten und Verdichtungen des pluralen Familienlebens verschreiben.

- Gemeindekatechese im Blick auf heutige Familien verfehlt ihr oberstes Ziel einer Hilfe zur Lebensgestaltung aus dem Glauben, wenn es ihr nicht in erster Linie darum geht, die real existierenden Familien in ihren alltäglichen familienbiographischen Situationen darin zu unterstützen, dass ihr (privates) Familienleben fragmentarisch gelingt, indem sie als Familie auf den Zuspruch und Anspruch Gottes eingeht. Die empirischen Analysen signalisieren nicht eine grundsätzliche »Müdigkeit« im Bereich von Religiosität. Vielmehr ist angesichts neuerer Untersuchungen von einem Wandlungsprozess religiöser Unterscheidung zu reden: Selbstbewusstheit vs. (vor-) reflexive Religiosität, Verknüpfung von Selbstbewusstheit mit einem Grund (principium, nicht causa!) vs. (verfasste) Religion, z. B. Christentum.

Der Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung zeigt auf, dass sich die religiösen Chiffren überwiegend am eigenen Erleben orientieren und nur sehr begrenzt durch bloße Mitgliedschaft bzw. bloße kirchlich-religiöse Praxis bestimmt sind.

Das religiöse Erleben und die religiöse Praxis werden nach wie vor individualisiert. Es geht nicht mehr um die Versöhnung von allgemeinem Anspruch und individuellem Leben, sondern um die »authentische Präsentierbarkeit individuellen Glaubenslebens, bisweilen unter Verzicht auf jede Orientierung an verallgemeinerbaren Erwartungen«.

Weiter ist zu bedenken, dass Religiosität als ein soziales Phänomen dort gedeiht, »wo religiöse Erfahrung kommunizierbar wird, wo sie anschlussfähig werden kann und wo sich ein sozialer Rahmen dafür findet«.

Es gibt eine starke Stufung in der religiösen Formkraft. Glaube übersetzt sich nicht linear in die Lebensgestaltung; die »situative Valenz« des Glaubens ist je nach Thema unterschiedlich stark. Lebenssinn, Lebenswenderituale und Lebenskrisen werden von Hochreligiösen stilisiert und gemeistert. Niedrig ist die Auswirkung der Religiosität auf Partnerschaft und Sexualität. Der Anteil der konsistenten Christen nimmt in Richtung der Jüngeren stark ab.

In der religiösen Lage moderner Kulturen entwickelt sich eine eher produktive Polarität von Glaubenden und Nichtglaubenden. Ein Drittel erlebt sich als Fragende, Skeptische und Suchende mehr oder minder als religiös mobil.

Religiöse Erziehung in Familien als Schlüssel »Die religiöse Sozialisation im Kindesalter ist für die Frage, ob man auch im Erwachsenenalter eine gewisse Nähe zur Religion aufweist, von großer Bedeutung.«

Neuere Analysen des Instituts Allensbach belegen differenziert Veränderungsprozesse. Sie geben aber mangels qualitativer Forschung zu wenig Einblicke in die Beweggründe der Befragten.

Das Generationen-Barometer 2009 zeigt auf, dass die religiöse Erziehung von Kindern immer mehr an Bedeutung verliert. Nur noch 32 % der Befragten halten sie für wichtig, 48 % für unwichtig. Auffallend sind hierbei sowohl regionale als auch generationsbedingte Spezifika: Im Osten Deutschlands ist die Zahl derer, die religiöse Erziehung für wichtig halten, mit 16 % nicht einmal halb so hoch wie im Westen mit 36 %. Unter den 16- bis 29-Jährigen halten nur 15 % religiöse Erziehung für wichtig, während es bei den über 60-Jährigen 47 % sind.

Eine gegenteilige Entwicklung zeigt eine für das Bundesministerium für Familie erstellte Umfrage zu Erziehungszielen und der Bedeutung religiöser Erziehung von 2006: Während 1991 nur 13 % der Eltern bis 44 Jahre der Meinung waren, dass Kinder im Elternhaus festen Glauben und feste religiöse Bindung erlernen sollten, waren es 1996 bereits 25 %. Sogar 37 % der Eltern waren der Meinung, dass Kinder Interesse und Offenheit für Religion und Glaubensfragen im Elternhaus erlernen sollten. Nur 4 % der Bevölkerung sind der Meinung, dass eine religiöse Erziehung schlechten Einfluss auf die Kinder hat. Dieses Ergebnis trifft im Großen und Ganzen für West- wie für Ostdeutschland zu.

Die generationsbedingten Unterschiede der Befragung von 2009 werden durch den Allensbacher Bericht Nr. 20 von 2005 bestätigt:

Während bei den über 60-Jährigen immerhin 19 % angaben, »hin und wieder« bzw. »häufig« in der Bibel zu lesen, sind dies bei den 16- bis 29-Jährigen nur 7 %. Allerdings lassen sich auch abweichende Tendenzen feststellen. Der biblische Bericht der zehn Plagen war der jungen Bevölkerung zwischen 16- und 29-Jahren mehrheitlich bekannt.

Missionarische Kirche im Volk

Katechese ist Mitteilung des Wortes und Vollziehung des Wortes – so der erste Katechetikprofessor der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen, Johann Baptist Hirscher, schon 1834. Dies ist ein wissenschaftstheoretisch bis heute hochinteressantes Konzept:

Katechese als Erschließung und Selbsterschließung der Gottesbeziehung in den verschiedensten Selbstvollzügen der menschlichen Ko-Existenz wie Arbeit, Herrschaft/ Konflikt, Eros/Sexualität und Spiel (Eugen Fink) in Familie, Gemeinde, Kindertagesstätten, Schulen, Beruf impliziert konkrete Aktualisierungen.

Die entscheidende Frage im Horizont einer missionarischen Kirche im Volk ist, wie Mitteilung und Vollziehung des Wortes im Prozess der Initiation realisierbar ist und welches Niveau anzusetzen ist.

Initiationskatechese – Qualitätsstandards

Unter Qualitätsstandard versteht die aktuelle Bildungsdiskussion Handlungskompetenzen im Sinne von Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt verbindlich beherrschen sollen. Die meisten Standards sind operationalisierbar (= evaluierbar), also weniger Haltungen und Einstellungen (soft skills).

Die Initiationskatechese – Taufe, Eucharistie und Firmung – ist eine zentrale Schlüsselsituation für die Zukunft unserer Gemeinden und der Gemeinschaft der Glaubenden in allen Sozialformen und Lernorten. Ziel ist die religiöse Sozialisation in Familie und/ oder Gemeinde und/oder anderen sozialen Nah-/Lebensräumen der Menschen, die Lebensgestaltung aus dem Glauben und die Reaktivierung von Gemeindeentwicklung. Umso mehr ist die Qualität der Initiationskommunikation in diesem Bereich zu analysieren und um Kompetenzorientierungen im Theorie-Praxis-Zirkel zu erweitern. Initiationskatechese im Angesicht gesellschaftlicher Realitäten muss folgendes leisten:

- kommunikative Anschlussfähigkeit, ohne ihr Proprium preiszugeben, kommunikative Gestaltung, um vorgefundene Lebenswelten und -formen zu interpretieren, neu zu interpretieren, zu verändern und neu zu gestalten, freilich immer nur als ein einladendes Angebot und als Chance zum eigenen Lernen und Umlernen;

- die »Was bringt’s?«-Frage mitbedenken, für ihre Sache werben/einladen;

- Neue Wege der Kommunikation und Vergemeinschaftung in der Sozialgestalt der Gemeinschaft der Glaubenden;

- Differenzierung: einerseits Anknüpfung bei vorreflexiver Religiosität – andererseits die Situation mit nichttheistischen/religiös unmusikalischen Menschen, für die sich die Sinn- und Grundfragen der Existenz erst gar nicht stellen. Sie sind nicht die Zielgruppen für Katechese, da bei ihnen keine Korrelation mit religiösen Grunderfahrungen herstellbar ist. Da sind andere Kommunikationswege einer missionarischen Pastoral erforderlich.

- Vorrangige Einbettung in die Grundvollzüge kirchlichen Handelns.

Taufe als Mitteilung und Vollziehung der Gotteskommunikation

Gott, der Schöpfer der Welt und jedes Menschen, berührt Mann und Frau schon vorgeburtlich während der Schwangerschaft, wenn er ihnen ein Kind als Gabe und Aufgabe anvertraut. Wie aber lässt sich dies konkret kommunizieren? Im Folgenden einige in der Praxis erprobte und weiterreflekierte Erfahrungen.

- Segensfeiern für (werdende) Eltern und ihre Familien (Werbung über Hebammen und Frauenarztpraxen) erschließen diese Gotteskommunikation schon vor der Geburt des Kindes. Viele Eltern sind ansprechbar: »Segen für mein Kind kann ich nie genug haben«.

- Anspruchsvoll gestaltete Abende als Taufkatechese in Elterngruppen mit folgenden Themen: Weil Gott uns in unserem Kind berührt, Symbole der Taufe, Rituale und religiöse Erziehung in der Familie. Mit Jesus Christus leben, sterben und auferstehen. Verständnis und gemeinsame Entwicklung der Taufliturgie. Wie können wir jetzt schon mit Ritualen in der Familie beginnen?

- Vernetzung der Taufeltern untereinander, die sich in der Regel nachher wieder im Kindergarten oder Schulbereich treffen.

- Segnungsgottesdienste für die vor zwei Jahren getauften Kinder im Rahmen eines Familiengottesdienstes am Sonntag.

- Familiengottesdienst am Beginn des Kindergartenjahres mit den katholischen Kindergärten – analog mit den kommunalen Kindergärten.

- Vernetzung mit den Elternbriefen der deutschen Bischofskonferenz.

Kirchliche Kindergärten als Familienzentren und (religiöse) Elternschulen

Bei der Aufnahme der Kinder in katholischen Kindergärten/Betreuungsangeboten ist es ratsam, einen »Bildungsvertrag« abzuschließen, der folgendes beinhaltet:

Zu unserer Kindertagesstätte gehört religiöse Bildung. Wir erwarten die Teilnahme an den Elternbildungsangeboten des Kindergartens mit den Themen: Rituale in der Familie – Familienkonferenz – Kinder brauchen Grenzen – Kinder und der Tod – Wie mit Kindern Konflikte konstruktiv lösen? – Wie mit Kindern Advent und Weihnachten, Kar- und Ostertage, Pfingsten feiern? – Mit Kindern beten, aber wie? – Wie viel Fernsehen verträgt mein Kind?

Vierteljährlich gestaltet der Kindergarten mit der Gemeinde einen Familiengottesdienst. Am Ende der Zeit in der Kindertagesstätte stehen Segnungsgottesdienste.

Eucharistiekatechese

Die Eucharistiekatechese verlangsamen und zeitlich strecken. In der ersten Klasse beginnt bereits der »Grundschulweg«: Der Weg zur Erstkommunion wird in Kooperation mit dem Religionsunterricht über »katechetische Nachmittage« und entsprechende Familiengottesdienste eröffnet. Dabei geht es vor allem um die Erschließung der mystagogischen Dimension der Eucharistie und den Aufbau von liturgischer Zugehörigkeit und Kompetenz für Kinder und Eltern.

Im zweiten Grundschuljahr gibt es eine gestufte Hinführung der Kinder mit der Überreichung des »Vater unser«. Die Eltern werden zu Elterntreffen eingeladen, die ihnen den Sinn und Zweck eines solchen entstressten, entschleunigten und vor allem nachhaltigen Kommunionweges erschließen.

Am Beginn des dritten Grundschuljahres beginnt die dritte Stufe der Eucharistiekatechese mit einem großen Elternabend, bei dem die Eltern für die Intensivierung der Kommunionkatechese motiviert werden. Das »Familienbuch« wird ihnen überreicht mit der Idee: Ihr selbst seid als Familie auf dem Weg zur Erstkommunion.

Die Familien bekommen einen »Leseplan«, der die Themen des Familienbuches für die entsprechenden Wochen enthält, die parallel dazu auch in den Kindergruppen behandelt werden. Im Oktober und November werden die Eltern zu »Elterntreffen« in Gruppen von circa 20–30 Eltern eingeladen – in vielen Gemeinden machen 50–70 Prozent mit. Die Kinder werden spätestens im Advent in einem Familiengottesdienst der Gemeinde vorgestellt und beginnen das neue Kirchenjahr mit ihren Kommunionkindergruppen. In den folgenden Monaten gestalten Eltern und Kinder gemeinsam eine monatliche Sonntagseucharistiefeier auf dem Weg zur Erstkommunion.

Bei den Elterntreffen werden die Glaubensfragen auf Erwachsenenebene bearbeitet:

- Meine ersten Berührungen mit Gott (eine Zeitreise zurück in die eigene Kindheit). Was ich in meiner eigenen religiösen Erziehung erlebt habe, was ich davon weitergeben möchte – was ich davon nicht weitergeben möchte.

-Wie religiöse Erziehung alltagstauglich wird.

- Wandlung und Verwandlung unseres Lebens. Wie erkläre ich mir selbst und meinem Kind »Wandlung« in der Eucharistiefeier? Dies ist möglich auf der Basis des Bausteins »Wandlung und Verwandlung unseres Lebens«.

- Wie ich mir das Leben nach dem Tode vorstelle – und was ich mit Tod und Auferweckung Jesu Christi zu tun haben. Bei jedem Elterntreffen werden die Themen nach dem Leseplan der nächsten vier Wochen im Familienbuch durchgeblättert; die Eltern werden daran erinnert und können eine kurze inhaltliche Einführung zu den Themen mitnehmen.

Die Wegegottesdienste werden mystagogisch so gestaltet, dass Eltern und Kinder den Aufbau und den Vollzug der liturgischen Feier erschlossen bekommen und sich selbst erschließen können. Schritt für Schritt spricht sich dies in einer Gemeinde herum, und es kommen in der Regel sehr viele – selten alle.

»Wegegottesdienste« am Werktag dürfen nicht die Hinführung zur sonntäglichen Eucharistiefeier untergraben


In vielen Gemeinden wird auf dem katechetischen Weg zur Erstkommunion mit Eltern und Kindern, oft in kleinen Gruppen, an Werktagen Eucharistie gefeiert. Dies ist sinnvoll, aber nur dann, wenn damit nicht die Partizipation an der Sonntagseucharistiefeier entfällt. immer wieder ist von Verantwortlichen in der Eucharistiekatechese zu hören: »Die Familien haben am Sonntag keine Zeit für den Gottesdienst, deswegen feiern wir in der Woche.« Wenn man mystagogisch so inkonsequent begleitet, muss man sich auch nicht wundern, wenn die Eucharistiefeier am Sonntag Schritt für Schritt irrelevant wird. Ohne partizipative Erschließung der Liturgie verliert die Eucharistiekatechese ihr Zentrum. Schließlich hat sie die Aufgabe, die Getauften zum Mitvollzug der Eucharistie anzuleiten. Manche Gemeinden reduzieren die Eucharistiekatechese auf dem Weg zur Erstkommunion bereits auf »Wegegottesdienste«, die dann auch noch oft nur an einem Werktagabend mit den Eltern und Kindern gefeiert werden – weil die »Leute am Sonntag ja keine Zeit mehr haben«. Damit konterkariert man das Anliegen der Eucharistiekatechese und die Sonntagsliturgie. Vieles an Ineffektivität der Eucharistiekatechese wird durch hausgemachte Inkompetenz selbst produziert.

Solche Weggottesdienste ersetzen auch nicht die Katechese. Die katechetischen Situationen in den Kommunionkindergruppen und den Elterntreffen haben ihre eigenen Möglichkeiten durch Diskussion, kritische Auseinandersetzung, Rückfragen und Klärungen. Wegegottesdienste können zur mystagogischen Erschließung und Begleitung des gesamten katechetischen Prozesses auf dem Weg zur Erstkommunion werden. Man könnte sie auch als einen Außenkreis um das Kommunikationsschema »Erstkommunion als Familienkatechese« (Chile, Peru, Bolivien, Ecuador u. a.) verstehen.

Mit dem Kommunionweg beginnt der Firmweg


Die Distanz vieler Familien nach dem Erstkommuniontag zeigt, dass die Zugehörigkeit zur eucharistischen Gemeinschaft kommunikativ nicht nachhaltig genug erfahren wird.

Ein konkretes Praxisbeispiel aus der Gemeinde Balingen, in der Pfarrer Alvin Nagler mit einem engagierten Team folgende Konzeption realisiert hat:

Die Kinder treffen sich bereits nach der Erstkommunion zu konkreten Projekten und Gottesdiensten auf dem Weg zur Firmung. In jedem der darauffolgenden Jahre gibt es entwicklungsgemäß gestufte Initiationsschnittpunkte (Wochenenden, Gruppenstunden, gemeinsam vorbereitete Gottesdienste u. a.). Es beteiligen sich Schritt für Schritt mehr und diejenigen, die diesen Weg der Initiation auf die Firmung hin mitgemacht haben, sie sind dann bei der weiteren Vorbereitung kurz vor der Firmung in einem entschleunigten und entstressten Konzept unterwegs. Die sich nicht beteiligt haben, werden auf die Firmung wie bisher in einem mehrmonatigen Intensivkurs vorbereitet.

Pädagogisch ist Folgendes ernst zu nehmen: Wer eine Kindergruppe mit dem Hinweis gründet: Ich bin deine Gruppenleiterin bis zum Erstkommuniontag, und dann gibt es diese Gruppe nicht mehr, gründet soziologisch »Gruppen auf Abbruch«. Die daraus zu ziehende Konsequenz ist: Kommunionkindergruppen werden gemeinsam von Eltern und Jugendlichen geleitet. Damit hat die Gruppe über den Kommuniontag hinaus mit dem jugendlichen Gruppenleiter bereits eine gemeinsame Geschichte hinter sich, und viele Kinder bleiben in dieser Gruppe. Man kann dann zwei ehemalige Kommunionkindergruppen zusammenlegen, und die Gruppe hat dann zwei Gruppenleiter.

Initiationskatechese und Gemeindeentwicklung


Eine solche Intensivierung des Kommunikationsprozesses geschieht Schritt für Schritt. Man muss sich ca. fünf Jahre Zeit geben, bis sich die Mentalität ändert und eine gewisse Ausstrahlungskraft entsteht und Eltern von der »Servicementalität« wegkommen. Allerdings sind angesichts der Ausgangslage, dass viele Eltern im Blick auf Erziehung ratlos sind, neue Chancen und Herausforderungen gegeben, diesen Aufbruch zu konkretisieren und effektiv zu gestalten.

Erfahrungen zeigen, dass sich Gemeinden über den Weg der Familienkatechese komplett regeneriert haben, z. B. St. Laurentius Kleinostheim (Diözese Würzburg).

Logischerweise generiert sich durch diese Glaubenskommunikation Schritt für Schritt mehr Interesse.

Die Rückmeldungen auf die theologisch elementarisierende, in gleicher Weise religiöse Erfahrungen, Glaubenswissen und Alltagsthemen erschließende, niederschwellig beginnende Katechese sind äußerst positiv. Eine Mutter äußerte nach dem Abend zum Thema: »Wie ich mir das Leben nach dem Tode vorstelle – und was dies mit Tod und Auferweckung Jesu Christi zu tun hat«, spontan: »Wenn wir diese Elterntreffen nicht hätten, hätte ich mich mit diesem Thema gar nicht auseinandergesetzt, wo es sich doch dauernd stellt.«

»Die Elternarbeit als auch wesentliches katechetisches Geschehen hat bei den Eltern eine sehr große Akzeptanz und positive Kritik gefunden. Das Familienbuch und eben auch die Elterngesprächskreise wurden zu 80 Prozent positiv eingeschätzt. Die Fragebogen waren anonym. Zunächst waren viele Eltern skeptisch ob der vielen (monatlichen) Elterngespräche. Heute sagen die meisten Eltern: ›Gut, dass wir mal wieder einen Rahmen hatten, über uns und Gott zu sprechen und diesen mit den einfachen Dingen des Lebens in Verbindung bringen zu können. Das hat auch den Gesprächen zu Hause sehr gut getan.‹ Die Eltern sagten, für sie sei (im Vergleich zu den Vorjahren) ganz entscheidend gewesen, dass sie als Eltern bei der Vorbereitung des Kindes eine entscheidende Bedeutung und Führung hatten und eben durch einen Hauptamtlichen sehr konstruktiv begleitet und unterstützt wurden.

20 Prozent der Eltern kamen nicht, wohl aber kamen die Kinder zu den entsprechenden Terminen.

Ergänzend haben wir die sogenannten Weggottesdienste als ein wichtiges Element mit in das Konzept eingebunden. Dadurch hatte der Priester, der die Weggottesdienste leitete, unmittelbaren Kontakt zu den Kindern (er steht ja auch der Erstkommunionfeier vor), die Kinder wachsen ganz unmittelbar in den Gottesdienst hinein, sie können selbst mitgestalten und das Tempo bestimmen. Immer gibt es auch einen festen meditativen Teil im Weggottesdienst. Dieses haben die Kinder insbesondere genossen. Mir ist aufgefallen, dass die Kinder immer häufiger nicht so sehr nach ›Unterhaltung und Aktion‹ suchen, sondern auch nach Stille und Verbindung mit Gott. Sie entschwinden förmlich der hektischen Kinderwelt und lassen sich in und auf die Gotteswelt ein. Das war schön zu beobachten.«

Wie ist dieser Weg der Initiation angesichts der größer werdenden Gemeinden und der knappen Personalressourcen realisierbar?

Die Dekanatsbildungsstellen/Katholische Erwachsenenbildung unterstützen die Gemeinden durch die Ausbildung von katechetischen Multiplikatoren: Eltern und Jugendliche, die Kommunionkindergruppen leiten, Ausbildung von Elternbegleitern für die Elterntreffen. Dies kann an verlängerten Freitagabenden oder in Kompaktwochenenden geschehen. Oft sind die Katechetinnen und Katecheten für eine solche Intensivierung der kommunikativen und theologischen Wegbegleitung sogar dankbar, weil sie ihnen mehr Sicherheit gibt. Das katechetische Leitungsteam plant, steuert und begleitet die Leiterinnen und Leiter der verschiedenen Treffen im konkreten Zeitablauf. Erfahrungsgemäß hervorragende Effekte erbringt das persönliche Gespräch mit den Kommunioneltern und Kindern am Beginn des Kommunionweges – in dieser entschleunigten Konzeption in der Mitte der zweiten Klasse mit einer Person aus dem Leitungsteam.

Ein Beispiel aus Berlin: Eine Ordensschwester nimmt sich für jede Familie eine halbe Stunde Zeit und investiert dafür mehrere Tage mit der Wirkung, dass die Familien offensichtlich zum ersten Mal den Eindruck haben: Die Kirche hat Interesse an unseren Problemen, unterstützt uns konkret, wie es gehen soll, und es baut sich eine entsprechende Zugehörigkeit auf.

Interreligiöse Theologiekompetenz erwerben

Wir stehen in West- und Mitteleuropa als Christinnen und Christen an einer historischen Wegkreuzung. Zwei Situationen zwischen Kindern – nicht erfunden, sondern aus meiner konkreten Praxis – belegen dies eindrucksvoll:

Das Kommunionkind Mirjam geht in unserer Gemeinde Rottenburg am Neckar mit ihrem Schulkameraden Mustafa (Namen der Kinder geändert) gemeinsam den Heimweg von der Schule. Sie verstehen sich gut. Mustafa sagt zu Mirjam: »Der Gott kann doch keinen Sohn haben. Das mit Bethlehem ist alles Lüge.«

Am Abend dieses Tages leite ich das Elterntreffen auf dem Weg zur Erstkommunion. Wir führen erst einmal die Eltern zur Erstkommunion hin, bevor wir mit den Kindergruppen überhaupt beginnen. Am Beginn dieses Elterntreffens erzählt mir die Mutter von Mirjam von diesem Gespräch der beiden Kinder und sagt sehr erregt fordernd: »Und, Herr Biesinger, was sag ich jetzt meiner Tochter?«

Ortswechsel zur zweiten Situation: Bei einem Gruppeninterview mit Kindergartenkindern im Rahmen unseres großen Forschungsprojektes an der Universität Tübingen zum Thema »Religiöse und interreligiöse Erziehung in Kindertagesstätten« sagten Kinder in einer Gruppendiskussion: »In Berlin heißt Gott Jesus, in Thailand heißt Gott Buddha, und in Arabien heißt Gott Allah.«

Diese Szenen zeigen: Wir sind bereits mittendrin in einem Umwälzungsprozess, der für die Verkündigung in den Gemeinden und für die religionspädagogischen Prioritäten in den Schulen höchste Alarmstufe bedeutet. »Alarmstufe« nicht etwa, weil christliche Kinder in der Schule und in ihrem Alltag auch muslimischen, jüdischen, atheistischen oder anders religiösen Kindern begegnen, sondern »Alarmstufe« deswegen, weil viele christliche Kinder und Jugendliche in dieser multireligiösen Situation aufgrund mangelnder christlicher Bildung in die Defensive geraten. Kinder sind auf der Suche nach der Wahrheit der Religionen bereits untereinander Gottesexperten.

»Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt!« (1 Petrus 3,15). Diese Herausforderung, die uns der erste Petrusbrief mitgibt, bekommt bereits für Kindergartenkinder hohe Aktualität. Doch viele christliche Kinder und Jugendliche können den kritischen religiösen Anfragen ihrer muslimischen Klassenkameraden und -kameradinnen kaum Rede und Antwort stehen. Sie haben für diese Fragen – und damit auch für sich selbst – keine Antworten.

Unsere Kinder und Jugendlichen brauchen eine andere, entschiedenere Qualität von religiöser Erziehung und Begleitung, damit sie lernen, im Pluralismus der Religionen ihr Christsein von den eigentlichen Wurzeln und elementaren Grundlagen her zu verstehen und im interreligiösen Dialog auskunftsfähig zu sein.

Und wie wird religiöse Erziehung in Familien alltagstauglich?

Für Eltern mit Kindern bis 12 Jahren sind folgende Rituale zu empfehlen: Segnen Sie Ihr Kind oder Enkelkind, wenn es morgens aus dem Haus geht. Legen Sie ihm die segnende Hand auf den Kopf und machen Sie ihm ein Kreuzzeichen auf die Stirn. Kinder gehen spirituell von Gottes Segen umhüllt anders in den Tag, als wenn man ihnen lediglich zuruft »Mach’s gut!« Vor dem Essen reichen sich Eltern und Kinder die Hände – dies ist schon in sehr frühem Alter möglich, wenn sie mit am Tisch sitzen können – und sprechen ein kindgemäßes Gebet: »Jedes Tierlein hat sein Essen, jedes Pflänzlein trinkt von Dir, hast auch unser nicht vergessen, lieber Gott wir danken Dir!« In Buchhandlungen oder Klosterläden gibt es Gebetswürfel, Gebetskärtchen und weitere Ideen. Sie können auch frei ein kindgemäßes Gebet formulieren oder mit den Kindern ein Gebet Ihrer eigenen Kindheit beten, das sie in guter Erinnerung haben.

Überhaupt ist zu fragen, warum wir nicht unsere eigene Kindheitsreligiosität – natürlich reflektiert und von Angst machenden Gottesbildern gereinigt – mit unseren Kindern und Enkelkindern teilen. Wir teilen ja ansonsten auch mit ihnen unsere Sprache, das, was uns viel bedeutet, unseren Zugang zur Natur, unsere Hobbies und unsere Freizeit. Warum teilen wir nicht unsere eigenen religiösen Erfahrungen mit ihnen?

Ein ganz wichtiges Ritual ist das »Abend-Ritual«: Kindern eine biblische Geschichte aus der Kinderbibel vorlesen und über die Bilder gemeinsam sprechen. Ihnen ein religiöses Lied vorsingen: »Weißt Du, wie viel Sternlein stehen auf dem blauen Himmelszelt… Gott der Herr hat sie gezählet…«

Anschließend mit Kindern gemeinsam den Tag durchgehen: Was war heute schön, was war nicht so schön? Unsere damals fünfjährige Tochter Ingrid hat mir auf diese meine Frage kurz vor dem Einschlafen in ihrem Zimmer gesagt: »Lieber Gott, heute war es gar nicht schön. Der Moritz hat mich gehaut, dann habe ich ihn auch gehaut. Schlaf gut lieber Gott.« Ein Klagegebet des kleinen Mädchens, das zum ersten Mal in ihrem Leben geschlagen wurde. Hätte ich sie mit meiner Frage nicht angeleitet, über ihren Tag nachzudenken, dann wäre diese Klage eben nicht ins Wort gekommen. So einfach ist das.

Solche Abendrituale sind für Kinder psychohygienisch ebenso wichtig wie religiös. Denn solche Rituale wirken sinnstiftend und konfliktklärend. Sie ermöglichen Kindern, selbständig Beziehung zu Gott aufzunehmen und mit ihm zu sprechen.

Warum kommt man überhaupt auf die Welt, wenn man eh’ wieder sterben muss?« So fragte mich unser damals 13-jähriger Sohn Benjamin einige Wochen nach dem Tod meines Vaters.

Wir tun also gut daran, tiefer zu bohren, wenn es um den eigentlichen Sinn und die tiefste Würde unseres Lebens geht.

Im Leben geht es um mehr als Lesen, Schreiben, Rechnen; dies ist ohnehin wichtig, und ich wäre froh, wenn Bildung auch auf dieser Ebene bessere Ergebnisse erbringen würde. Im Leben geht es aber »um mehr als alles«; es geht um die großen Visionen unseres Lebens:

Du bist deswegen in diese Welt gekommen, weil du ein Lieblingsgedanke Gottes bist. Gott, der Schöpfer der Welt, hat dir als seinem Geschöpf Licht von seinem Licht mitgegeben. Wenn du nicht etwas von deinem Schöpfer in dir tragen würdest, wärst du ja nicht sein Geschöpf.

Du bist deswegen in diese Welt gekommen, weil du eine Botschaft Gottes bist für diese Welt, genau in unserer Zeitschiene und in dieser Weltregion. Du bist nicht im 12. Jahrhundert in Asien geboren, sondern im Hier und Jetzt deiner Existenz.

Du bist deswegen in diese Welt gekommen, weil du eine Gabe Gottes an diese Welt, an die Menschheit, an die Zukunft des Reiches Gottes bist.

Du bist deswegen in diese Welt gekommen, weil du zum Be-Reich Gottes gehörst in den Jahren deiner Existenz hier auf dieser Welt. Du gehörst zum Reich Gottes, zum Be-Reich Gottes über den Tod hinaus, wenn du deinen eines Tages kranken und alternden Körper verlässt und als Geistperson von Gott gerettet wirst, verwandelt in die neue Welt Gottes, wo Er alle Tränen trocknen wird und alles Leid sein Ende haben wird.

Du bist deswegen in diese Welt gekommen, weil du eine Aufgabe hast für die Menschen, mit denen du in Raum und Zeit lebst – im Nahbereich und im Fernbereich.

Du bist deswegen in diese Welt gekommen, weil du dein Leben als Gabe Gottes zur Aufgabe machen sollst: Nämlich Gott in dieser Welt zu verkünden, seine Liebe durch Solidarität zu kommunizieren und Menschen so zu begleiten, dass sie ihren eigenen Weg mit Gott und zu Gott finden.

Du bist deswegen in diese Welt gekommen, weil du auf dem Weg des Gebetes und der Meditation für dich selbst und andere Menschen den Himmel offen hältst, den Gott schon längst für uns geöffnet hat. Du musst ihn nicht krampfhaft offen halten, sondern vielmehr darauf hinweisen, dass er bereits offen ist und wir uns Ihm, dem Herrn der Welt, nur entgegenstrecken, uns IHM öffnen müssen.

Du bist deswegen in diese Welt gekommen, weil du Zeichen für die betende Existenz sein sollst: Gott loben, Gott danken, Gott bitten, aber auch Gott klagen wie ein geschundener Hiob.

Du bist deswegen in diese Welt gekommen, weil Gott betende Menschen braucht – nicht zu seinem Selbstlob, vielmehr als Zeichen seiner Gegenwart unter uns Menschen. Milliarden Menschen auf dieser Erde beten als Christinnen und Christen, als Glaubende in den großen Weltreligionen und den verschiedenen religiösen Gruppierungen.

Du bist deswegen in diese Welt gekommen, dass du die Menschwerdung Gottes in dem Kind von Bethlehem, geboren von seiner Mutter Maria, in das Zentrum deines Meditierens und deines Betens bringst.

Gott hat nicht einen Sohn, Gott ist Sohn.

Das Kommunionkind Miriam könnte Mustafa auf seine Aussage hin, dass Gott doch keinen Sohn haben könne, sagen: »Du verstehst das nicht richtig. Bei uns ist Gott Vater, ist Sohn, ist Heiliger Geist. Dass Gott Mensch geworden ist, genau darüber freuen wir Christinnen und Christen uns so an Weihnachten. Deswegen ist das für uns ein so eindrucksvolles großes Fest.«

Der Glaube gibt Zukunft, wenn wir Gott im Alltag in den Familien wohnen lassen

Die derzeitigen Ausgangslagen für Kinder und Jugendliche, wie ich sie in Ansätzen zu Beginn hier skizziert habe, sprechen dafür, die Katechese der Sakramente eher zu intensivieren und gerade nicht die katechetischen Wege zu verkürzen und zu banalisieren. Viele Menschen nehmen uns ja gerade deswegen in diesem Bereich nicht (mehr) ernst: Sie haben das Gefühl, dass viele Gemeinden die Vorbereitung auf die Erstkommunion, das Sakrament der Versöhnung und die Firmung aus verschiedensten Gründen nicht intensiv und vertiefend gestalten.

Die durch Papst Pius X. ermöglichte Frühkommunion von Kindern – ihr Ergebnis ist ja die heutige Praxis – hatte damals insofern ihren tiefen Sinn, als die Kinder in ihren Familien ganz selbstverständlich eine Glaubenskultur und eine religiöse Begleitung bekommen haben. In der heutigen Situation aber ist es notwendig, zunächst die Eltern auf die Kommunion ihrer Kinder vorzubereiten und dann erst mit der Vorbereitung der Kinder zu beginnen. So kann religiöse Erziehung gelingen. Wir haben dazu eindeutige Forschungsergebnisse, wonach Eltern in verschiedensten, auch schwierigen Regionen auf eine solche Begleitung sehr positiv und dankbar reagieren. Ja, die Eltern entdecken dadurch sogar wieder neu ihren eigenen Glauben als Erwachsene und lernen ihn zu verstehen.

Und vor allem bekommen Eltern Unterstützung angesichts ihres Aufschreis: »Hilfe – Mein Kind ist fromm!«

In einer anonym angelegten Befragung sagte ein Vater eines Kommunionkindes über diese Elterntreffen: »Es war wie ein guter Religionsunterricht für Erwachsene, und es hat mir sehr viel weitergeholfen.«

Eine Mutter sagte es mir direkt: »Würde es diese Elterntreffen nicht geben, hätte ich mich nie mehr mit solch zentralen Themen wie Wandlung, Kreuzestod oder religiösen Ritualen in der Familie beschäftigt.«

Ohne Frage haben wir innerhalb unserer Kirche vieles neu am Evangelium auszurichten, so mancher Sumpf ist trockenzulegen. Aber eines ist sicher: Unsere Kirche hat dann Zukunft, wenn sie sich radikal in den Dienst der Gottesbeziehung der Menschen stellt und in der Sakramentenbegleitung, in den Gottesdiensten und vor allem in der diakonischen Zuwendung in Leid, Krankheit und Trauer ihren Auftrag immer wieder neu angeht und weiterentwickelt. Den »Schatz im Acker«, die »Goldstücke« unseres Glaubens zum Vorschein zu bringen und damit den Menschen bereits jetzt eine Ahnung des aufleuchtenden Reiches Gottes zu erschließen, ist doch eine wunderbare und geradezu aufregende Lebensaufgabe.

Wie der Glaube Zukunft gibt – Herausforderungen für den Religionsunterricht

Gerade wenn man den Religionsunterricht von den Kindern und Jugendlichen sowie von den gesellschaftlichen Bedingungen her strukturieren will, muss derzeit das, was zu lehren und zu lernen ist – Gott hat sich uns mitgeteilt, Gott hat uns erschaffen, Gott ist uns in seinem Sohn Jesus Christus so nahe gekommen, wie dies andere Religionen sich gar nicht vorstellen können, Gott gibt uns Zukunft unserer Zukunft über den Tod hinaus, in komplexerer Weise und dialogkompetenter angehen.

Die religiöse Bildung in Schulen muss zum einen das, was das Christentum zum Christentum macht, so lehren, dass Kinder und Jugendliche die Kompetenz erwerben, sich im Christentum zu verwurzeln. Zum anderen muss sie das Christentum so lehren, dass Kinder und Jugendliche Kompetenzen zum religiösen Dialog mit Muslimen, aber genauso auch mit Atheisten (und allen anderen) erwerben können.

Ansonsten wird das Christentum in unseren Gesellschaften in die Defensive geraten. Wir brauchen ein Christentum, das mit Überzeugung und dem hohem Selbstbewusstsein, auf dem richtigen Weg zu sein, aber auch mit klarer Dialogbereitschaft aufrechten Ganges in die Zukunft geht. Und dies, ohne die anderen religiösen Wege abzuwerten. Wir haben dann keinen Grund zur Resignation, wenn wir uns wirklich und entschieden den großen Visionen des Reiches Gottes öffnen. Dass sich unsere Kirche verändern wird, zeichnet sich ja schon deutlich ab.

Die Liturgie der Zukunft ist Familienliturgie – oder sie wird nicht mehr sein

Wer Familienliturgie als Entertainment oder Talkshow abqualifiziert, meint zunächst einmal die Argumente auf seiner Seite zu haben. Damit kann man jegliche Erneuerung der Liturgie auf Verständlichkeit und Lebensrelevanz hin desavouieren. So dürfen aber nicht – wie dies leider oft kurzschlüssig geschieht – neue, fundierte liturgische Ausdrucksformen, Gesten und Symbolisierungen abgewertet werden. Es ist schließlich nicht einfach so, dass die Menschen liturgieunfähiger geworden sind; vielmehr stellen sie höhere Ansprüche an die Liturgie und Predigt als früher. Dies hat mit der Mediengesellschaft und ihren Ablenkungsstrategien einerseits zu tun, aber auch mit den veränderten Verstehensmöglichkeiten vieler Menschen andererseits.

Analysiere ich als Religionspädagoge die Situation in Gemeinden, dann stelle ich allein schon in meinem Umfeld fest, dass in der einen Gemeinde mit ungefähr 2.000 Katholiken den Sonntagsgottesdienst noch ungefähr 100 Personen im Lebensalter von 45 Jahren an aufwärts besuchen. Fünf Kilometer weiter – die soziale Struktur dieser Gemeinden ist ziemlich ähnlich – ist die Kirche überfüllt, besuchen viele junge Eltern mit ihren Kindern den Sonntagsgottesdienst, bereiten Jugendliche in ihren Gruppen und mit ihrer Musikband regelmäßig Jugendgottesdienste in verständlicher, in ihrer Sprache vor. Ich habe es selbst gesehen und mit eigenen Ohren wahrgenommen: Die biblischen Texte ehrfurchtsvoll gelesen und gehört, in dichten Gesten und Worten ausgelegt.

Fünfzehn Kilometer weiter dasselbe: Die eine Gemeinde lebt vor sich hin, die junge Generation scheint abgeschnitten oder hat sich abgekoppelt. Die Nachbargemeinde dagegen drängt zum Gottesdienst, es bilden sich viele kleine Gruppen, die Gemeinde wird immer diakonischer, sie übernimmt Schritt für Schritt selbst »Werke der Barmherzigkeit «: Trauernde trösten, Kranke besuchen, Betrübten recht raten, die Kommunikation in der Familie stärken, die Kinder nicht mit ihren religiösen Fragen allein lassen.

Es muss keine Gottesdienste geben, die bewusst oder unbewusst so gefeiert werden, dass die Menschen wenig verstehen und kaum betroffen sind. Gottesdienste, in denen Menschen für die Beziehung mit Jesus Christus das Herz aufgeht, sind gefragt. Es wird sich mit der Zeit herumsprechen, dass Familien mit ihren Kindern erwünscht sind und mit einem guten Gedanken, einem aufbauenden Bild und einem tröstenden Wort aus dem Sonntagsgottesdienst in die nächste Woche gehen können.

Wenn die Sonntagsliturgie generell so gefeiert würde, dass junge Eltern mit ihren Kindern etwas verstehen, dann verstehen auch die anderen Erwachsenen; meistens ist es so, dass auch die Großeltern sich freuen, wenn die Enkelkinder mit ihnen über das, was sie im Gottesdienst erlebt haben, sprechen können.

Mein Plädoyer für integrative Liturgiegestaltung bezieht sich nicht nur auf punktuelle »Familiengottesdienste«, die in manchen Gemeinden in mehr oder weniger unregelmäßigen Abständen mit (zum Teil) großem Aufwand gestaltet werden. Ich fordere, dass an jedem Herrentag die Liturgie so gestaltet und gefeiert wird, dass eine lebensrelevante Glaubenskommunikation entsteht, eine aktuelle Erneuerung und Festigung der Beziehung zum Herrn Jesus Christus, und zwar so, dass Kinder, Eltern und Großeltern verstehend feiern können.

Als wichtige Elemente einer solchen Qualität liturgischer Ästhetik unter strikter Wahrung der liturgischen Vorgaben ist grundsätzlich zu beachten29: In kurzen, verstehbaren Sätzen kommt das zum Ausdruck, was wir feiern. Die verbalisierten Deutungen werden unterstützt durch Ehrfurchtsgesten, Symbole, durch geführtes Schweigen und Besinnung.

Der Bußakt: Die Scherben der vergangenen Woche und das alles, was uns an Solidarität, Einfühlsamkeit, an Friedenstiften, an Nachdenklichkeit gelungen ist, bringen wir mit; wir öffnen uns auf Gott hin, der alles das heil macht und in ein Ganzes bringt. Die Lebenssituationen, die wir ansprechen, müssen genauso aus dem Alltag der Kinder und Eltern stammen wie aus dem Alltag von Singles und älteren Menschen.

Das Tagesgebet
darf sich nicht auf abgehobene Floskeln und rituelle Sprachspiele reduzieren. Es soll auf die Texte aus dem Alten und Neuen Testament, die anschließend vorgetragen werden, bezogen sein und mehr Lobpreis als Bitte beinhalten.

Die Lesung und das Evangelium sind durch entsprechende Gesten hervorzuheben. Kinder können gemeinsam mit Erwachsenen das Evangelienbuch, das in der Mitte des Gottesdiensthauses aufgelegt ist, in Prozession nach vorn tragen, die Kinder können um den Ambo stehend Lesung und Evangelium hören. Eine Alternative dazu ist die Evangelienprozession durch die Kirche, die die Aufmerksamkeit der Gottesdienstgemeinde auf das jetzt uns zugesagte Wort Gottes lenkt.

Die Auslegung des Wortes Gottes
in der Predigt darf sich selbstverständlich nicht auf ein »kindisches« Niveau begeben. Kinder sind schließlich intelligente Wesen und wollen »groß werden«. Allerdings erbringt andererseits eine Predigt, die von theologischen Richtigkeiten strotzt, nicht von vornherein mehr Niveau und mehr Verstehensmöglichkeiten als ein Predigtgespräch mit den Kindern anhand eines konkreten Symbols – ein Senfkorn in der Hand, eine Scherbe, die Transformation einer biblischen Geschichte in einem Rollenspiel. Oft geht die tiefere Bedeutung so mancher voller Geheimnisse steckender Bibeltexte frappierend deutlich auf, wenn wir eine Symbolgeschichte aus dem Chassidismus einbeziehen.

Die Fürbitten
, von Erwachsenen formuliert, aber durch Kinder vorgetragen, sind meistens nicht stimmig. Wenn Kinder Fürbitten vortragen, dann sollen sie diese auch formulieren dürfen. Die Fürbitten Erwachsener sind sinnvollerweise auch von Erwachsenen vorzutragen. Schließlich soll es nicht ein Kindergottesdienst, sondern eine Sonntagsliturgie für alle sein, die gleichzeitig auch eine Familienliturgie ist, somit müssten aber auch die Erwachsenen in diesem Gottesdienst so angesprochen werden, dass es für sie stimmig ist.

Die Gabenbereitung
: Es ist nicht nur so, dass wir Brot und Wein auf den Altar bringen, sondern unser ganzes Leben in der vergangenen Woche, mit allem, was wir gearbeitet, gelacht und gelitten haben. Die Gabenbereitung ist die Hin-Gabe unseres Lebens hinein in die Beziehung mit Jesus Christus. Eine gemeinsame Gabenbereitung durch Eltern und Kinder wäre ein entsprechender Ausdruck, der als liturgisches Element an jedem Sonntag möglich ist. Die übliche Form, dass die Ministrantinnen und Ministranten mit dem Priester die Gabenbereitung vollziehen, ist lediglich eine verknappte Ausdrucksform. Kinder können den Altartisch mit einer Tischdecke, mit Blumen und mit Kerzen decken, damit klar wird: Jesus lädt uns an seinen Tisch, den wir gemeinsam mit ihm bereiten.

Zum eucharistischen Hochgebet
werden die Kinder eingeladen, um den Altar herum ganz nahe dabei zu sein, mit großen Augen und Ohren das Geheimnis unseres Glaubens wahrzunehmen. Wichtig ist dabei, konsequent nach dem dreifachen »Heilig« eine Phase des Schweigens zu gestalten. Schweigen öffnet die Sinne und fährt Antennen aus für die Wahrnehmung des Geheimnisses. Lieber einige Sätze an anderen Stellen weniger sprechen oder ein Lied weniger singen und zwei bis drei Minuten des Schweigens einfügen, bevor wir das eucharistische Hochgebet beten. Manche kirchlich approbierte Kinderkanones sind dialogisch aufgebaut, und die Gemeinde kann antworten, lobpreisen, bitten und danken.

Das Vaterunser: Es ist für mich seit mehr als einem Jahrzehnt eine besonders eindrucksvolle Geste, wenn sich beim Vaterunser alle, nicht nur vorn die um den Altar, sondern auch die in den Bänken Stehenden die Hände reichen als Zeichen dafür, dass sie geliebte Söhne und Töchter des einen Vaters sind. Unter liturgiewissenschaftlichen Aspekten mag dies umstritten sein; manche plädieren für die Orantenhaltung, das heißt, wir strecken unsere Arme geöffnet nach oben dem Vater entgegen. Streit ist hier überflüssig: Das eine betont etwas anderes als das andere, und eine Gemeinde kann in diesen Gesten zum Vaterunser abwechseln. Aber dass wir das Vaterunser ohne Körpergeste beten müssen, steht nirgends geschrieben und ist eher ein Problem unserer eigenen Mentalität, als dass dahinter eine liturgische Vorschrift oder eine große Tradition stehen würde.

Der Friedensgruß:
Wer versöhnt leben kann, ist ein glücklicher Mensch. Versöhnt leben ist anspruchsvoll, ich muss mich dann mit mir selber versöhnen, mich mit anderen versöhnen, mich von Gott versöhnen lassen. Es ist eine der ganz großen Gesten in der Eucharistiefeier, dass Jesus Christus uns Seinen Frieden gibt, der es uns ermöglicht, mit uns selbst und untereinander Frieden zu realisieren. Falls die Kinder noch um den Altar stehen, können sie sich im großen Kreis die Hände geben und somit miteinander verbunden beim Friedensgruß die Hände drücken. Dies stiftet Gemeinschaft und Versöhnung.

Die Austeilung der eucharistischen Gaben
müsste intensiver angekündigt werden. Es geht um Tischgemeinschaft, die Kinder könnten um den Altar stehen und als erste die eucharistischen Gaben empfangen.

Bei der Kommunionausteilung
muss Ehrfurcht und Präsenz zum Ausdruck kommen. Ein hastiges Austeilen, ohne den Menschen in die Augen zu schauen und damit Beziehung aufzunehmen und sich dafür auch die Zeit zu nehmen, hat wenig Sinn. Die mit nach vorn kommenden kleineren Kinder, die noch nicht bei der Erstkommunion waren, müssen das Gefühl haben, dass sie willkommen sind, wenn wir ihnen ein Kreuzzeichen auf die Stirn machen und ihnen sagen: »Gott segne Dich«. Es ist dies eine wichtige Form, eine Beziehung mit Jesus Christus und seinem himmlischen Vater zu stiften.

Nach der Kommunion
eine kurze Schweigeminute. Das Schlussgebet kann die Gottesdienstgemeinde in die nächste Woche führen, ihr Mut und Hoffnung zusprechen, vom eucharistischen Herrn begleitet und gestärkt in die kommende Woche zu gehen.

Die Sendung
ist als Stärkung und Kraft zu verstehen, im Energiefeld mit dem eucharistischen Herrn den Alltag auf seinen Frieden hin zu öffnen und sich von ihm öffnen zu lassen, die Welt zu gestalten und nicht nur in der Eucharistie, sondern auch in den Augen der Leidenden Jesus Christus zu entdecken.

Zur musikalischen Gestaltung:
Das »Gotteslob« als alleinige Grundlage für die Lieder und die Musik in der Eucharistiefeier ist zu schmal. Wenngleich eine Reihe von Liedern des Gotteslobes in der Gemeindepraxis noch gar nicht entdeckt sind, bedarf es einer Erneuerung auch des Liedgutes, das in einer Reihe von neuen Liederbüchern den Gemeinden zur Verfügung steht. Es ist eine kurzsichtige und falsche Praxis, wenn Gemeinden sich von jenen Gruppen dominieren lassen, die lediglich die traditionelle Kirchenmusik akzeptieren (können). Genauso wie eine Gemeinde eine Orgel haben sollte, sollte sie auch eine Musikband mit Keyboard, Gitarre und Flöten aufbauen, in der die jungen Leute ihre eigenen Lieder und musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten erproben und damit auch selbst Träger und Trägerinnen der liturgischen musikalischen Gestaltung werden können. Für viele ist nun einmal Lob und Preis, Dank und Bitte in jugendgemäß ausgedrückten Liedern und musikalischen Gestaltungen eine wichtige Möglichkeit des Verstehenszuganges und des existentiellen Ausdrucks. In diesem Sinne ist in vielen Gemeinden eine rasche und konsequente Änderung und »Bekehrung « fällig, ohne dass deswegen die traditionelle Kirchenmusik Schaden leiden muss. Es bedarf dieser zweiten tragenden Säule musikalischer Ausdrucksformen.

Die Umsetzung ist nicht so kompliziert. Fast in jeder Region gibt es musikbegabte Menschen oder Musiklehrerinnen und -lehrer, die, vielleicht gegen ein kleines Honorar der Kirchengemeinde, eine solche Jugendmusikband aufbauen und sie begleiten. Unverständlich und für die Zukunft der Liturgie fatal, dass in der Kirchenmusikausbildung der kirchlichen Musikschulen diese Kompetenz, einen Kinder- und Jugendchor mit neuen geistlichen Liedern oder eine entsprechende Musikband aufzubauen und zu leiten, so wenig beachtet wird. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum ein Absolvent oder eine Absolventin der Kirchenmusikausbildung solche Kompetenzen nicht erworben haben soll, wenn sie in einer Pfarrgemeinde tätig werden.

Ausblick: Die liturgische Feier am Sonntag hat infolge der hohen Mobilität der Menschen (Freizeit, Wochenendreisen) und ihrer anspruchsvoller gewordenen Wahrnehmung aufgrund der Medien in ihrem Alltag besondere Herausforderungen zu bestehen. Aber: Nicht alle Menschen verreisen am Sonntag, und es gibt Möglichkeiten, auf die veränderte Wahrnehmungsstruktur einzugehen. Eine Reihe von Beispielen30 zeigt, dass es sehr wohl möglich ist, den Herrentag in der Eucharistiefeier mit Würde und Begeisterung so zu feiern, dass alle Generationen beteiligt sind. Auf die besonderen Verstehensprobleme und Ansprüche der jüngeren Generation besonders hinzuweisen ist leider immer noch nötig. Wer dies allerdings übersieht, kann allein aufgrund der demographischen Entwicklung wissen, wann diejenigen, die heute 50 Jahre und älter sind, aufgrund ihres Lebenslaufs eines Tages fehlen werden; wenn Kinder und Jugendliche keine liturgische Praxis erschlossen bekommen, wird es um die Sonntagsliturgie in zwei Jahrzehnten schlecht bestellt sein.

Heute klare Optionen zu treffen ist von vitaler Bedeutung. Wir dürfen aber realistisch optimistisch sein, dass wir noch viele Möglichkeiten haben. Eine davon ist die Beteiligung möglichst vieler Gruppen als Träger bei der Mitgestaltung von Gottesdiensten: Kindergärten, Familienkreise, Erstkommuniongruppen, Eltern und Kinder in Jugendgruppen, Ökogruppen, Sportvereine, Jugendfeuerwehr, Eine-Welt-Gruppen usw. bereiten Gottesdienste mit ihren Themen vor, gestalten sie, und plötzlich atmet die Sonntagliturgie spirituell neues Leben. Auch wenn diese Menschen nicht jeden Sonntag kommen, so verlieren sie auf diesem Weg doch nicht den Anschluss zum Energiefeld Eucharistie.

Die Messe »erklären«: Sehr wichtig ist es, immer wieder die wichtigsten Elemente der Eucharistiefeier zum Thema von Liturgie zu machen. Es hat ja wenig Sinn, jeden Sonntag Ritualisierungen zu feiern, deren eigentliches Geheimnis nicht »entborgen« wird. So habe ich die Bedeutung des Bußaktes mit dem Symbol der Scherben erschlossen. Ich nehme einen alten Keramikblumentopf und zertrümmere ihn mit einem Stein vor den Kindern im Altarraum, bitte die Kinder, die einzelnen Scherben in die Hand zu nehmen, wir sprechen über die Scherben der vergangenen Woche, welche Scherben wir anderen bereitet haben, wer uns Scherben gemacht hat und wie wir damit zurechtkommen. Auch für die Erwachsenen ist dies immer wieder eine Hilfe und es ist keineswegs eine »Kinderei«, sich darauf immer wieder neu zu besinnen.

Kinder als Gabe und Aufgabe kirchlichen Handelns

»Hilfe, mein Kind ist fromm« ist der Titel eines WDR-Fernsehfilms. Regie führt eine Mutter, die durch die zweifelnden religiösen Fragen ihrer Tochter in ihrer eigenen Gottesbeziehung neu »aufgemischt« wird.

Kinder sind Boten Gottes in die konkrete Menschheitsgeschichte hinein. Sie bringen die Botschaft, dass die Liebesgeschichte Gottes mit der Menschheit weitergeht.

Wenn ihr nicht so werdet wie diese Kinder, dann habt ihr von Gott nichts begriffen (vgl. Mk 10,15 ff). Dieses Evangelium nach Markus – man nennt es nicht ohne Grund »Kinderevangelium« – ist für mich der spirituelle Impetus, selbst an Kindern Maß zu nehmen, sie als Botschafter Gottes zu würdigen und zu »beobachten«. Sie sind für mich nicht Objekt kirchlichen Handelns, sondern vielmehr Träger und Trägerinnen der Gottesverheißung.

Gott kommuniziert mit uns Menschen, wenn Kinder in unser Leben treten – mit ihren großen Augen, noch größeren Fragen, mit ihrem unbändigen Drang zu Kommunikation und Wachstum. Dass ich mich seit vielen Jahren so intensiv mit dem Thema Kinder- und Familienreligiosität beschäftige, verdanke ich den vielen, vielen Kindern, die mir auf meinem Lebensweg begegnet sind. Vor allem unsere eigenen Kinder haben mich mit ihren Fragen Gott neu suchen lassen.

Eine Gemeinde, die sich auf ihre Kinder dahingehend besinnt, dass sie von Gott anvertraute Gaben und Botschaften sind, wird mit ihnen entsprechend kommunizieren, sie fördern, ihnen Kommunikationsmöglichkeiten im Rahmen der Gemeinde, auch in Gottesdiensten, geben.

Eine Gemeinde muss für die Kinder »kämpfen«. Es darf ihr nicht gleichgültig sein, dass manche Kinder am Montagmorgen hungrig in die Schule kommen, dass sie zuhause malträtiert werden und »leiden wie ein Hund« – so hat es kürzlich ein Kind selbst formuliert. Es darf ihr nicht gleichgültig sein, wenn Eltern ihre Kinder religiös verwahrlosen lassen.

Religionspädagogisch ist radikal vom Kind her, von seinen Möglichkeiten des Lernens, seiner Entwicklung, seinen Bedürfnissen nach Nähe und Distanz her zu denken. Selbstverständlich dürfen Kinder nicht zu »Mitteln zu dem Zweck« werden, an ihre Eltern heranzukommen. Eltern definieren ihr Verhältnis zur Kirche zwar danach, wie die Gemeinde mit ihren Kindern kommuniziert, aber auch die Kinder, deren Eltern sich nicht einer Gemeinde zugehörig fühlen, sind doch ernst zu nehmen und – gerade deswegen, weil sie von ihrer Familie religiös keine Unterstützung bekommen – zu fördern.

Für Kinder ein Segen sein

Eine Gemeinde kann auf der Basis des »Kinderevangeliums« gar nicht anders, als das zu tun, was Jesus selbst getan hat: Kinder segnen. Dafür sind sensible Situationen zu suchen, die das kompetent zum Ausdruck bringen. Bei der Taufe werden die Kinder unter den großen Bundesbogen Gottes gestellt. Der Segen für sie ist so radikal, dass sie hineingenommen werden in das Leben, in das Sterben und die Auferweckung Jesu Christi.


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