archivierte Ausgabe 4/2014 |
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Hans Reinhard Seeliger |
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Es ist ein „weites Feld“, auf dem die Beiträge dieses Heftes angesiedelt sind. Der Tübinger Moraltheologe Franz-Joseph Bormann befasst sich mit der heiklen Frage freiheitsbeschränkender Maßnahmen, wie sie bei der Pflege von alten, verwirrten, nicht selten dementen Menschen nötig werden können. Wer, wie der Autor dieser Zeilen, schon erlebt hat, wie sich ein sterbenskranker Mensch, schon nicht mehr bei vollem Bewusstsein, für einen Augenblick gewehrt hat, als die Kanüle der sog. Schmerzpumpe gelegt wurde, weiß, wovon die Rede ist. Aber er weiß auch, wie einfallsreich die Pflegerinnen und Pfleger sein können, die die alte Mutter, statt sie im Bett, aus dem sie fallen könnte, einzusperren oder zu fixieren, auf einen Futon legten: Von der niedrigen Matratze konnte sie sich nicht ohne Hilfe erheben; die musste sie herbeirufen und so war die Gefahr gebannt. Was einfach klingt, bedarf der Reflexion und diese stößt der Beitrag an.
Wie gewohnt, veröffentlicht die ThQ die Antritts- und Abschiedsvorlesungen der Mitherausgeber. Ende des Sommersemesters diesen Jahres verabschiedete sich Ottmar Fuchs, den man als Pastoraltheologe nicht vorstellen muss, in den Ruhestand. Er tat dies mit einer recht poetischen, aber auch von einem skeptischen Unterton gekennzeichneten, außergewöhnlichen Vorlesung, die seine große kulturelle Sensibilität noch einmal eindrucksvoll zeigte.
Peter Hünermann, verdienter und nach wie vor aktiver Emeritus (der gerade die Einrichtung einer „Johann-Sebastian-von-Drey-Stiftung zur Förderung der ThQ“ betreibt, worüber in einem künftigen Editorial zu berichten sein wird), stellt die behutsamen Änderungen, die Papst Franziskus im Verständnis des Papstamtes vornimmt, in den historischen und systematischen Zusammenhang.
Der Linzer Fundamentaltheologe Ansgar Kreutzer fragt in seinem Beitrag, wie weit ein „Update“ der langsam ins Vergessen geratenden „neuen politischen Theologie“ durch Rückgriffe auf den Soziologen und Philosophen Pierre Bourdieu (1932–2002) gelingen könne, um der stets mit Emphase, aber letztlich empirisch und analytisch etwas „unterernährten“ Theologie eines Johann Bapt. Metz u. a. aufzuhelfen.
Den Abschluss macht ein Beitrag des Historikers und Kunstgeschichtlers Wolfgang Minaty, den wir zur Veröffentlichung schon angenommen hatten, als am 22. August diesen Jahres der Fernsehkanal „arte“ einen Beitrag über das corpus delicti, sprich: die wohl merkwürdigste Reliquie der Christenheit, Jesu Vorhaut, zeigte. Der Fernsehfilm war reißerisch, erschreckend oberflächlich, tendenziös und eigentlich dieses „Kulturkanals“ unwürdig. Die inzwischen schon jahrhundertelangen Auseinandersetzungen um die ominöse Reliquie hat Minaty recherchiert. Sein Beitrag konfrontiert uns damit, dass frühere Zeiten ganz offensichtlich eine andere – oder auch keine? – Vorstellung vom Makabren hatten. Was konnte, wenn man es sich recht überlegte, vom auferstandenen und in den Himmel aufgefahrenen Jesus anderes übrig geblieben sein als die bei seiner vom Neuen Testament bezeugten Beschneidung abgetrennte Vorhaut?
Was man suchte, hat die fromme Wissbegierde stets noch ausfindig gemacht: Ambrosius die Gebeine von Gervasius und Protasius, Helena das Kreuzesholz, das Mittelalter blutende Hostien zum Beweis der Transsubstantiationslehre. Die Zeiten handfester und dinglicher Religiosität sind heute vorbei. Wirklich? Im Jahre 2006 pilgerte Papst Benedikt XVI. zum „Volto Santo“ von Manoppello, das als Schweißtuch der Veronika verehrt wird. Papst Franziskus beabsichtigt, im nächsten Jahr das Turiner Grabtuch zu besichtigen.
Tübingen, im November 2014
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