Herzlich willkommen bei ThQ – die theologische Quartalschrift aus Tübingen
Unsere aktuelle Ausgabe 3/2023
zum Themenheft »Erinnerung als Kulturtechnik in Geschichte und Gegenwart« mit folgenden ausgewählten Beiträgen:
Editorial
Stephan Winter
In Yad Vashem, der Gedenkstätte für die Opfer der Shoah, findet sich der berühmte und oft zitierte Satz: „Das Exil wird länger und länger des Vergessens wegen, aber im Erinnern liegt das Geheimnis der Erlösung.“ Tatsächlich stehen viele religiöse und speziell die biblisch begründeten Rituale und Liturgien in enger Beziehung zum grundmenschlichen Vollzug des Erinnerns bzw. Gedenkens sowie zu Zeiten und Orten entsprechender Praktiken.
Kulturwissenschaftliche Grundlagen und religionsdidaktische Perspektiven
1. Erinnerungsgemeinschaft als Erzählgemeinschaft
„Christentum als Gemeinschaft der an Jesus Christus Glaubenden ist […] eine Erinnerungs- und Erzählgemeinschaft in praktischer Absicht: erzählend-anrufende Erinnerung der Passion, des Todes und der Auferstehung Jesu.“1 So schreibt Johann Baptist Metz bereits 1977, noch bevor innerhalb der Kulturwissenschaften das Konzept von Erinnerungs- und Erzählgemeinschaften geprägt wurde. Metz verwendet diese Bezeichnung als Beobachter davon, wie Kirche mit Tradition und Geschichte umgeht, wobei er den Blick besonders auf die kirchlichen Vollzüge und ihren zentralen Bezugspunkt Jesus Christus richtet. Erinnerung in praktischer Absicht, das bedeutet zunächst, dass Erinnerung nicht in der Vorstellungs- und Gedankenwelt verbleibt, sondern wirksam wird für die Zukunft, weil sie gegenwärtiges Handeln hervorruft. Wenn Metz von einer Erinnerungsgemeinschaft spricht, nimmt dies ganz selbstverständlich die Realität und das Selbstverständnis von Kirche in den Blick, gemeinsam in der Nachfolge Jesu Christi unterwegs zu sein.
Am Beginn der Betrachtungen werfen wir einen Blick in eines der beiden zur Wahl stehenden Eröffnungsgebete der Feier vom Leiden und Sterben Christi: „Gedenke, Herr, der großen Taten, die dein Erbarmen gewirkt hat“, heißt es dort. Die Aufforderung zu gedenken wird hier – es mag fast paradox wirken – an den Herrn gerichtet, der ja selbst Urheber der zu erinnernden Taten ist. Geht es tatsächlich darum, Gott mahnend erinnern zu müssen, er möge sein einstiges Handeln nicht vergessen? Ich denke, nein. Der verwendete Imperativ drückt viel weniger einen Zweifel daran aus, dass Gott sich seiner Heilstaten immer bewusst ist, als vielmehr die Bitte, dass Gott sich seines Volkes auch weiterhin erbarmend zuwenden möge. Umgekehrt aber geht es bei jeglicher Liturgiefeier darum, dass die Gläubigen feiernd der Taten Gottes gedenken. Indem sie dies tun, erinnern sie sich gemeinsam an heilsgeschichtliche Ereignisse der Vergangenheit, die das Kollektiv der Gläubigen insgesamt sowie zugleich und zuerst jede und jeden einzeln betreffen.
Hierophanic Effects Created by Natural and Artificial Light in Early Christian and Medieval Sacred Buildings
1. Introduction
The evidence of natural light effects within sacred spaces is abundant and can still be found to this day in many churches of medieval origin. Examples exist where natural light emphasizes a symbolic meaning by manifesting every year on a significant day in a specific part of the church. The builder’s intention was probably to highlight a religious thought and convey a message through light. In this way, light became the herald of that message. These hierophanic messages can be seen mainly in the alignment to the rising or setting of the Sun or the Moon, in the illuminating of the main architectural elements inside the church, or in enlightening the frescoes or mosaics.