1. Sich ein wenig der Abstraktion angleichen: Wenn Theologie praktisch wird …
In Die Pest ist der Arzt Dr. Rieux die zentrale Figur, die Camus sich am Ende des Romans als dessen Autor zu erkennen geben lässt. An einer Stelle wird eine Auseinandersetzung zwischen Rieux und dem Journalisten Rambert geschildert. Ausgangspunkt ist Rieux’ Weigerung, Rambert zu attestieren, nicht infiziert zu sein, damit er nach Paris zur von ihm geliebten Frau zurückkehren kann. Rieux bringt zum Ausdruck, dass er dieses Ansinnen verstehen könne; aber letztlich lasse sich niemals wirklich nachweisen, ob jemand bei einer etwaigen Ausreise nicht doch das Bazillus in sich trage, und es dürfe keine Ausnahmen geben: „Ich weiß wohl, daß diese Geschichte unsinnig ist, aber sie betrifft uns alle. Man muß sie nehmen, wie sie ist.“1 Rambert reagiert harsch: Rieux mangele es an Empathie, er spreche die „Sprache der Vernunft“ und sei „in der Abstraktion“ (ebd.), weshalb er einen entscheidenden Zusammenhang nicht sehe: Das „Wohl des Volkes setzt sich aus dem Glück der einzelnen Bürger zusammen.“ (58) – Nach dieser Begegnung reflektiert Rieux Ramberts Vorwurf:
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