archivierte Ausgabe 2/2016 |
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Leseprobe 2 |
DOI: 10.14623/thq.2016.1.127-138 |
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Hans Reinhard Seeliger |
Lehre und Lebensform |
Über die „Hellenisierung“ und „Enkratisierung“ des antiken Christentums1 |
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Zusammenfassung Das antike Christentum übernahm zusammen mit Bildungsinhalten der mittel- bzw. spätplatonischen sowie der stoischen Philosophie („Hellenisierung“) auch die diesen Denkformen zugrunde liegende Lebensform. Sie ist durch eine deutliche Leibfeindlichkeit gekennzeichnet, aus der das Ideal der Enthaltsamkeit (ἐνκράτεια) resultiert. Für das Ergebnis wird der Begriff der „Enkratisierung“ des Christentums eingeführt und an Beispielen belegt.
Abstract Together with the educational and cultural content of Middle Platonic, Late Platonic and Stoic philosophy („Hellenization“), ancient Christianity also adopted the way of life underlying these forms of thought. This way of life is characterized by a distinct rejection of the flesh from which the ideal of temperance or self-control (ἐνκράτεια) arises. The concept of „enkratization“ is introduced to describe this result and verified by means of examples.
Schlüsselwörter – Keywords Hellenisierung des Christentums; Paulusakten; Origenes; Gregor von Nyssa; Körper; Leibfeindlichkeit; Zölibat; Enthaltsamkeit; Enkratismus Hellenization of Christianity; Acts of Paul; Origen; Gregory of Nyssa; body; rejection of the flesh; celibacy; temperance; enkratism
„Mann und Weib, und Weib, und Mann, reichen an die Gottheit an. Mann und Weib, und Weib, und Mann, reichen an die Gottheit an, die Gottheit an, die Gottheit an.“ So singen Pamina und Papageno in Mozarts „Zauberflöte“. Es ist diese kompositorisch sehr innig gestaltete Stelle im ersten Akt (N°. 7, Takte 36–48)2, die mich an dieser Oper immer am meisten bezaubert hat. Das Duett musste schon bei den ersten Aufführungen 1791 stets wiederholt werden, so sehr hat es den Leuten gefallen.3 Mich als Kirchenhistoriker hat daran freilich von jeher fasziniert, dass Mozart und sein Textdichter Emanuel Schikaneder in ihrem hohen Lied der Liebe eine der Kernfragen der patristischen Theologie ansprechen: Wie komme ich an die Gottheit heran? Wie kann ich Gott näher kommen, wie an ihm Anteil (μέθεξις) gewinnen?4 Kann es zu einer Vereinigung mit Gott kommen? Und gegebenenfalls wie? Und geschieht das durch die Angleichung an sein Wesen, durch die ὁμοίωσις θεῷ5? Für Mozart und Schikaneder scheint es ganz klar: Die Gottheit, das Göttliche, das θείον, von dem auch die Kirchenväter so oft sprachen6, wird erreicht durch die menschliche Liebe und zwar, daran kann bei Mozart und Schikaneder kein Zweifel sein, die erotische. Wie das Teil freimaurerischer Ideale ist, die Mozart teilte, hat sehr schön Jan Assmann analysiert.7
Ganz anders hingegen die drei Texte, die ich im Folgenden vorstellen will.
I.
Der erste ist von Gerd Theißen in seiner „Psychologie des Urschristentums“ in deutlicher Kontrastierung zum Hohelied der Liebe „das hohe Lied der Askese“ genannt worden.8 Er stammt aus den Paulusakten und stellt eine dort Paulus in den Mund gelegte Predigt dar, mit der er die Jungfrau Thecla zu einem ehelosen Leben bekehrt, worauf sie ihre Verlobung auflöst und Jüngerin des Paulus wird. Sie hört ihn also im Hause des Onesiphorus (vgl. 2 Tim 1,16) in Ikonium „das Wort Gottes von der Enthaltsamkeit und der Auferstehung“ verkünden:9
(2) Selig sind, die das Fleisch keusch (ἁγνος) bewahrt haben, denn sie werden Tempel Gottes werden. (3) Selig sind die Enthaltsamen (οἱ ἐγκρατεῖς), denn zu ihnen wird der Gott reden. (4) Selig sind, die dieser Welt entsagt haben, denn sie werden Gott wohlgefallen. (5) Selig sind, die Frauen haben als hätten sie sie nicht (vgl. 1 Kor 7,29), denn sie werden Gottes Erben werden (κληρονομέω; vgl. Röm 8,17). (…) (11) Selig sind, die um der Liebe Gottes willen das weltliche Wesen verlassen haben, denn sie werden Engel richten (vgl. 1 Kor 6,3) und zur Rechten des Vaters gesegnet werden [und den bitteren Tag des Gerichtes nicht sehen].10 (13) Selig sind die Leiber der Jungfrauen, denn sie werden Gott wohlgefallen und den Lohn ihrer Keuschheit (ἁγνεία) nicht verlieren.
Die Gesamtzahl der Seligpreisungen in den Paulusakten und ihre ursprüngliche Gestalt sind noch in jüngster Zeit Gegenstand der wissenschaftlichen Debatte gewesen; es ist durchaus unklar, ob es sich hier um eine Umgestaltung der Bergpredigt in Mt 5 handelt oder um ein eigenständiges Schöpfen aus dem mündlichen Überlieferungsbestand des frühen Christentums.11 Im Blick auf die Wirkungsgeschichte ist dies freilich von nachgeordneter Bedeutung. Ein Blick in den reichen Bestand der handschriftlichen Überlieferung zeigt, dass die Akten breit rezipiert wurden. Der neben der breiten mittelalterlichen Texttradition früheste griechische Zeuge des wohl zwischen 170 und 180 entstandenen Textes datiert aus dem 4. Jahrhundert, um diese Zeit waren die Akten auch schon ins Koptische übersetzt, es gibt syrische, arabische und altslavische Versionen und mindestens vier voneinander unabhängige lateinische Übersetzungen. 12 Auch wenn Texte wie dieser als „apokryph“ galten, wurden sie dennoch fleißig gelesen und beachtet. Auch Origenes, dem wir uns gleich zuwenden werden, kennt diese Akten und ihre Makarismen.13
Wie Paulus als Phänotyp aussah, wurde, wenn wir der gängigen Ikonographie folgen, übrigens aus diesem Text entnommen: mit nahezu kahlem Kopf und ein klein wenig hervorstehender Nase14, ein Philosophentyp15; ich halte das in unserem Zusammenhang nicht für zufällig.
Paulus redet „von der Enthaltsamkeit und der Auferstehung“, und beides hat offensichtlich etwas miteinander zu tun. Es sind die Enthaltsamen, die ἐγκρατεῖς zu denen nach der Auferstehung Gott reden wird, die die Erben Gottes sein werden, die über den Engeln und zur Rechten des Vaters, also am Ehrenplatz stehen werden und auf diese Weise den Lohn für ihre Keuschheit erhalten.16
Ganz anders also als bei Mozart und Schikaneder: an Gott ganz nahe heran kommt man als sexuell Enthaltsamer! Nicht verkannt werden sollte dabei allerdings, was die sozialgeschichtliche Forschung hervorgehoben hat: Jungfräulich zu leben, bedeutete in den frühchristlichen Gemeinden einen Autonomiegewinn für Frauen. Es gab eine Alternative zur Ehe mit ihrer Unterordnung unter den Mann und den riskanten Geburten; höhere Selbständigkeit um den Preis der Askese.17 Das hat für Ordensfrauen bis weit in das 20. Jahrhundert gegolten. Die Entwicklung verlief komplex.
II.
Ein zweites Beispiel: Im Jahr 235 sitzt der wohl bedeutendste Theologe dieser Zeit, Origenes (*183–187, † um 253), in seinem Arbeitszimmer in der palästinischen Hauptstadt Caesarea und arbeitet an einem Protreptikos, einer exhortatio, einer Werbeschrift, einer „Ermahnung“ bzw. „Aufforderung zum Martyrium“. Sie ist neben dem uns unbekannten Protoktetus an seinen großen Gönner Ambrosius adressiert.18 Es ist die Zeit der großen Reichskrise des 3. Jahrhunderts – manche Althistoriker reden inzwischen lieber von der Zeit der Transformation des Römischen Reiches19 –, die Religionspolitik der Kaiser schwankt und die Christen können Opfer der sich zeitweise deutlich verschärfenden Maßnahmen werden und fühlen sich unsicher.20 In dieser Situation will Origenes die Leser seiner Schrift auf das Äußerste vorbereiten und sein unbedingter Rat ist, dem Martyrium nicht auszuweichen, wenn es dazu kommen sollte. Denn das Martyrium ist die Chance zu Gott zu kommen, und zwar weil dabei der Leib getötet wird:
Warum zögern und zweifeln wir noch, den hinderlichen, vergänglichen Leib (σῶμα) abzulegen, der die Seele (ψυχή) beschwert, die irdische Behausung, die den sorgenvollen Geist (νοῦς) belastet, uns der Fesseln zu entledigen und uns zu lösen aus den Wogen, die mit Fleisch und Blut gegeben sind? Lasst uns diese Behausung ablegen, um mit Christus Jesus die Ruhe zu genießen, die der Glückseligkeit innewohnt, indem wir ihn selbst anschauen als das Wort, das ganz und gar das All mit Leben erfüllt. Dann werden wir von ihm genährt werden und die <in> ihm wohnende überaus vielfältige Weisheit erfassen. Geprägt von der Wahrheit selbst, werden wir im wahrhaften, unaufhörlichen Licht der Erkenntnis (ἐν φωτὶ τῆς γνώσεως) in unserem Geist (νοῦς) erleuchtet werden zur Schau der Dinge, die ihrer Natur nach durch jenes Licht von den Augen angeschaut werden können, die durch das Gebot des Herrn erleuchtet sind.21
Erneut also die Vorstellung, dass man zu Gott, zur Erleuchtung des Geistes im Licht der Erkenntnis nur gelangt, wenn der Leib als Hindernis dazu beseitigt wird, was im Martyrium geschehen kann.
Hintergrund ist natürlich die Seelenlehre des Origenes, bzw., modern gesprochen, die mit ihr verknüpfte Anthropologie. Diese hier darzustellen würde den zeitlichen Rahmen sprengen, denn sie ist zum einen recht komplex, zum anderen aber nach Origenesʼ eigenen Worten von ihm selbst nicht vollständig ausgearbeitet worden.22 Nur so viel: Die präexistente Seele steht, ganz nach neuplatonischem Muster, bei Origenes in der Mitte, als medium zwischen dem göttlichen Geist (νοῦς) und dem Leib. Sie ist das Organ der Gottebenbildlichkeit. In und durch sie ereignet sich des Menschen Ähnlichwerden mit Gott und zwar durch das Überwinden der Hinwendung zum Sinnlichen und Stofflichen.23 Das geschieht dadurch, dass Christus, der Logos, die Seele prägt, aber auch dadurch, dass die Seele ihr Leitprinzip, das ἡγεμονικόν, auf die Tugenden hin richtet, unter denen im Fall des Martyriums besonders die Standhaftigkeit (ὑπομονή) ist.24 Origenes führt hier einen Begriff der stoischen Philosophie ein25 und betont damit den Wert der eigenen Anstrengung in der Nachahmung Gottes.26 Der Sich-Vervollkommnende und so Gott näher Kommende lebt arm, durchwacht die Nacht, fastet. Statt sich mit weltlichen Wissenschaften abzugeben, beschäftigt er sich Tag und Nacht mit der Heiligen Schrift. Er versucht die körperlichen Bedürfnisse auf ein Minimum zu reduzieren. Demut, Wachsamkeit, ständiges Gebet, vor allem aber Leidenschaftslosigkeit (ἀπάθεια), eine hervorragende Eigenschaft Gottes, zeichnen ihn aus, sein Vorbild sind die Engel – denn diese haben keinen fleischlichen Körper.27 Dieser hindert am Kontakt mit Gott. Für Origenes gibt es konsequenterweise eine Rangordnung unter den Christen: am höchsten stehen die Märtyrer, dann folgen die Jungfräulichen, ihnen die Witwen, zuletzt die Eheleute.28
III.
Um mich nun nicht dem Vorwurf auszusetzen, hier lediglich mit apokryphen Texten zu argumentieren und den Meinungen eines zwar höchst einflussreichen, aber letztlich im 6. Jahrhundert als häretisch verurteilten Theologen – es gibt einen schönen Aufsatz meines unlängst verstorbenen Vorgängers dazu29 –, wollen wir in einem dritten Schritt einen Blick in ein Werk eines der vier großen östlichen Kirchenlehrer werfen: De virginitate, das Enkomion, die Lobrede Gregors von Nyssa (* ca. 335, † nach 394) auf die Jungfräulichkeit.30 Das Werk ist 371 entstanden31 und von Gregors bischöflichem Bruder, Basilius von Caesarea, angeregt. An wen es sich aber richtet, ist in der Forschung durchaus umstritten: an die Asketen, für die Basilius in diesem Zeitraum seine Regeln geschrieben hat32, oder ob es ein Werk ist, das sich an alle Christen richtet? Ich bin mit Paul Huybrechts letzterer Meinung.33 Gregor, der als Bischof, wie es damals ja durchaus möglich gewesen ist, selbst aller Wahrscheinlichkeit nach verheiratet war,34 beabsichtigt, die Rangordnung der christlichen Lebensstile zu differenzieren. Natürlich stehen auf der untersten Stufe die Eheleute und über ihnen die, die jungfräulich leben. Dazwischen aber möchte er die enthaltsam lebenden Ehepartner schieben.35
Uns interessiert hier die Begründung dafür: Wer enthaltsam lebt, wird nicht mehr zum Werkzeug für Entstehung neuer sterblicher Geschlechter. Enthaltsamkeit stemmt sich so dem Tod entgegen, setzt ihm eine Grenze: τὸ κρεῖττον εἶναι τοῦ θανάθου τὴν παρθενίαν – die Jungfräulichkeit ist stärker als der Tod, ist ihm überlegen.36 Damit ist sie das Stärkste überhaupt! Oder anders gesagt: Der Asket ist der Stärkste und das verschaffte ihm, nun sozialgeschichtlich gesehen, besondere Autorität.37 Auch bei Gregor entdeckt man dann ganz ähnlich wie bei Origenes die Seelenlehre als Hintergrund seiner Virginitätslehre; dies verwundert kaum, wenn man weiß, dass seine Familie väterlicherseits mit Origenesʼ Schüler Gregor Thaumaturgos in Verbindung gestanden hat. Die Seele ist das Organ, vermittels dessen man in Kontakt mit dem unvergänglichen Gott kommt und, da der Grundsatz gilt, dass Gleiches das Gleiche bewirkt, wird sie durch Gottes Unvergänglichkeit (ἀφθαρσία) rein wie er, sofern sie alles menschliche hinter sich lässt: den Körper, Reichtum, auch Wissenschaften und Künste.38 Die „Fessel der Ehe“39 muss man ablegen:
Nichts von all dem, was der Veränderung unterworfen ist, darf die Seele berühren, sondern die Seele muß sich, soweit das möglich ist, trennen von jeglichem Umgang mit dem Leben, das da fleischlich und von Leidenschaften erfüllt ist, mehr noch: sie muß sich lösen vom Mitfühlen mit ihrem eigenen Leib, damit der Mensch nicht nach dem Fleische lebe und dadurch dem Unglück, das dem Fleische entspringt, unterworfen sei. Das bedeutet es, einzig mit der Seele zu leben und, soweit möglich, die Lebensform der unkörperlichen Mächte nachzuahmen; in dieser heiratet niemand und wird niemand geheiratet, sondern ihre Arbeit, ihre Bemühung und ihr Erfolg liegen darin, daß sie den Vater der Unsterblichkeit anschauen und ihre eigene Gestalt durch die mögliche Nachahmung für die ursprüngliche Schönheit schmücken.40
IV.
Es ist offensichtlich und keine Neuigkeit, dass die in meinen Beispielen vorherrschenden philosophischen Annahmen über den Menschen, die Seele und Gott stark von den Schultraditionen des Mittelplatonismus bzw. dann auch Neuplatonismus beeinflusst sind.41 Auch hier ist das höchste Ziel die ὁμοίωσις θεῷ, die aber nur wenige erreichen. Das hat dann eine Einteilung der Menschen zur Folge, die deutliche Parallelen zur Unterscheidung der Stufen christlichen Lebens aufweist, wie sie Origenes und Gregor kennen. Nach Plotin stehen an oberster Stufe die Vollkommenen (σπουδαῖοι); deren Leben ist nach oben auf das höchste Gut gerichtet. Ihnen folgen die, die einen gewissen Zugang zur Tugend und zum Guten haben, unter denen steht aber die gemeine Masse (φαῦλος ὄχλος), die zum Handlanger der Bedürfnisse der Edleren bestellt ist.42 Im Streben nach der Tugend machen sich dabei deutliche Einflüsse der Stoa bemerkbar.43 Gregors Skepsis bezüglich des Ehelebens und sein Lob der enthaltsamen Ehe ist eventuell direkt aus Epiktet entlehnt, der für den wahren Philosophen, den Kyniker, die Ehe ablehnt, sie ansonsten aber als soziale Pflicht betrachtet.44 Aus solch stoischen Ansichten leitet sich die Rede von den „ehelichen Pflichten“ ab, die Pflicht und Lust so deutlich kontrastiert.
Der Einfluss griechischen philosophischen Denkens auf das Christentum wird seit langem unter dem Stichwort seiner „Hellenisierung“ diskutiert. Christoph Markschies hat unlängst die Geschichte dieser Deutungskategorie nachgezeichnet und dafür plädiert, den Begriff der „Hellenisierung“ nur mehr dort zu verwenden, wo es sich um „eine spezifische Transformation der alexandrinischen Bildungs-einrichtungen und der dort praktizierten Wissenschafts-kultur in der theologischen Reflexion des antiken Christentums“ handle.45 Daran will ich mich halten, gleichzeitig aber die Begrifflichkeit etwas erweitern bzw. ergänzen.
Die gesamte antike Philosophie, zumindest seit Sokrates, war nicht ein Nachdenken im rein theoretischen Raum, sondern Philosoph zu sein war eine Lebensweise, war, wie es beim Neuplatoniker Porphyrios zu lesen ist, ζῆν κατὰ νοῦν: leben entsprechend dem Geist.46 Einen guten Eindruck vom Lebensstil und der Lebensweise spätantiker Philosophen gewinnt man, wenn man dessen Schrift De abstinentia liest, die oberflächlich betrachtet für eine vegetarische Lebensweise wirbt, aber eine Werbeschrift für die philosophische Askese darstellt. Den ständigen Zusammenhang zwischen Denkform und Lebensart in der antiken Philosophie herausgearbeitet und ins Bewusstsein gerückt zu haben, ist das Verdienst der Studien von Pierre Hadot (1922–2010).47 Die Bildung „der Hellenen“, wie es oft bei Plotin heißt48, hat großen Einfluss auf die Entfaltung der christlichen Gotteslehre gehabt und auf das, was wir die „hohe Christologie“ und Gotteslehre des 4. und 5. Jahrhunderts nennen. Aber dieser philosophische Einfluss hat sich auch lebenspraktisch ausgewirkt, weil Philosophie in der Antike unmittelbar praktisch war. Diesen Einfluss möchte ich die „Enkratisierung“ des Christentums nennen, seine Transformation in eine Religion, in der die Enthaltsamkeit (ἐγκράτεια) einen sehr hohen und vor allem integralen Stellenwert bekam. Meines Erachtens lässt sich der Einfluss solch philosophischer Lebenspraxis auf die Religion sehr schön bereits dadurch zeigen, dass Paulus in den Paulusakten rein äußerlich schon als Philosoph stilisiert wird, der die Enthaltsamkeit lehrt. Wie die Einübung in ein philosophisches Leben in der Schule des Origenes lief, zeigt uns ein Blick in die Dankrede des Gregor Thaumaturgos für seinen Lehrer.49
Ich gebe Gerd Theißen recht, der meint, dass die im Neuen Testament bei Jesus und Paulus ja greifbaren asketischen Tendenzen sich nicht durchgesetzt haben, wenn man den Kanon als Ganzes in den Blick nimmt, dass dies jedoch für das antike Christentum nicht insgesamt und grundsätzlich gilt.50 Auch mit der Häretisierung enkratischer Theologen wie etwa Marcions und Tatians im 2. Jahrhundert, die neben der sexuellen Abstinenz auch den Verzicht auf Fleisch und Wein forderten, war es mit dem Enkratismus nicht vorbei.51 Henry Chadwick ist zuzustimmen, der schon 1962 im „Reallexikon für Antike und Christentum“ feststellte: „Das enkratitische Ideal stand (…) lange auf der Grenzscheide zwischen Orthodoxie und Häresie“.52 Es gab auch „orthodoxen Enkratismus“53 und seine Geschichte scheint mir noch gar nicht richtig geschrieben.
V.
Mit dem Instrumentarium der Mentalitätsgeschichte, die freilich in der Kirchengeschichtsschreibung nie wirklich rezipiert bzw. akzeptiert wurde,54 ließe sich zeigen, dass die hier erläuterten Vorstellungen von langer Dauer gewesen sind.55 Allein ein Blick in das Commune sanctorum der vorkonziliaren Liturgiebücher offenbart in der Rangfolge der Heiligenfeste und ihres unterschiedlichen Grades an Festlichkeit die Gültigkeit einer durch Askese und Enthaltsamkeit geprägten Ordnung und ihrer Wertvorstellungen, wenn auch in einer, etwa im Vergleich mit Origenes und Gregor, weiter ausdifferenzierten Weise: Von den Aposteln ging es über die Märtyrer, die Bischof waren, die nichtbischöflichen Märtyrer, die Bekenner, die Märtyrerjungfrauen und die Märtyrerinnen, die nicht Jungfrauen waren, hinunter zum einfachsten aller Heiligenfeste für die normalen Frauen, die weder Märtyrerin noch Jungfrau (nec virgo, nec martyr) waren.56 Für sie gab es die geringste liturgische Prachtentfaltung. Die Würde der Heiligen wurde also ganz entscheidend durch ihre Körperlichkeit bemessen.
Der Körperdiskurs, wie ihn die historische Kulturwissenschaft schon länger führt, ist ein Weiteres, was zumindest in der alten Kirchengeschichtsschreibung bislang kaum angekommen ist, zumindest nicht im deutschsprachigen Raum.57 Das, was ich dazu etwa in Arnold Angenendts neuesten, großen, freilich auf Mittelalter und Neuzeit konzentrierten Studien lese, geht mir nicht weit genug bzw. gräbt nicht tief genug.58 Ernst zu machen wäre kirchengeschichtlich mit der Einsicht, die Michel Foucault beim Studium der Stoa gewonnen hat, nach der sich „die Ausbildung der persönlichen Tugenden und besonders der enkráteia nicht von der Ausbildung (unterscheidet), die dazu befähigt, die anderen Bürger [scil. Christen] zu übertreffen und sie zu leiten. Ein und dieselbe Ausbildung soll zur Tugend und zur Macht befähigen“59. Selbstbeherrschung, um andere zu beherrschen: Hier, und nicht bei der Vorstellung kultischer Reinheit, sind wir beim wahren Wurzelgrund des Zölibats – ganz gleich, ob man ihn früh oder später ansetzt.60
Doch noch weiter: Ich hoffe, zumindest ansatzweise gezeigt zu haben, dass das Virginitätsideal, von dem aus es zu einer skeptischen Bewertung der Körperlichkeit und der Ehe im Christentum kam, aufs Engste verbunden ist mit einer spezifischen dichotomischen Anthropologie bzw. Seelenlehre, die ihrerseits wieder ein ganz spezifisches Gottesbild voraussetzt, und mit dieser eine Erlösungslehre, die, anders als Mozart, davon ausgeht, dass der Körper in jedem Fall hinderlich ist, um mit Gott in Kontakt zu kommen. Mit der Frage nach dem Körper steht, anders gesagt, nichts weniger als das Ganze der Theologie zur Debatte.
An dieser Stelle gibt freilich der Kirchenhistoriker den Staffelstab an die anderen theologischen Disziplinen weiter. Es dürfen, den Lauf zu vollenden (vgl. 2 Tim 4,7), sich alle beteiligen.
1 Leicht überarbeitete und mit Nachweisen versehene Abschiedsvorlesung an der Universität Tübingen, gehalten am 8. Februar 2016. – Abkürzungen im Folgenden nach TRE. 2 W. A. Mozart, Die Zauberflöte, hrsg. v. G. Gruber u. A. Orel: Neue Ausg. sämtl. Werke (Bühnenwerke 5/19), Kassel 1970, 125f. 3 Vgl. ebd. X. 4 Vgl. F. Normann, Teilhabe – ein Schlüsselwort der Vätertheologie (MBTh 42), Münster 1978; nützlich immer noch die Materialsammlung bei H. Hanse, „Gott haben“ in der Antike und im frühen Christentum (RVV 27), Berlin 1939, 66-143 5 Vgl. H. Merki, ὉΜΟΙΩΣΙΣ ΘΕῼ. Von der platonischen Angleichung an Gott zur Gottähnlichkeit bei Gregor von Nyssa (Par. 7), Freiburg i. Ue.1952; sehr aussagekräftig die Stelle bei Gregors Bruder Basilius, spir. 9,23 (F 12, 140.-142 Pruche/Sieben). 6 Typisch bei Gr.Nyss. beat. 1,3 (GNO 7/2, 82 Callahan): Τέλος τοῦ κατ᾽ ἀρετὴν βίου ἐστιν ἡ πρὸς τὸ θεῖον ὁμοίωσις. Dazu Merki, (wie Anm. 5), 128f. 7 J. Assmann, Die Zauberflöte. Eine Oper mit zwei Gesichtern (Wiener Vorlesungen im Rathaus 179), Wien 2015, 58f. 8 G. Theißen, Erleben und Verhalten der ersten Christen. Eine Psychologie des Urchristentums, Gütersloh 2007, 449. 9 APaulThecl 5f. (AAAp 1,238-240 Lipsius/Bonnet). 10 So der Text nach dem koptischen PHeid. 11 Vgl. die gelehrte, aber nicht vor Hypothesen zweiten Grades zurückschreckende Studie von J. W. Barrier, Asceticism in the Acts of Paul and Thecla’s Beatitudes. The Coptic Heidelberg Papyrus as an Exegetical Test Case, in: H.-U. Weidemann (Hg.), Asceticism and Exegesis in Early Christianity. The Reception of New Testament Texts in Ancient Ascetic Discourses (NTOA 101), Göttingen 2013, 163-185, hier 173. Insbesondere die Unterscheidung von “asceticism” und “encratism”, wie sie Barrier als distinkt voraussetzt, hat es m. E. so nicht gegeben. 12 Vgl. AAAp 1, XCIX-CII; NTApo6 2, 197. 13 Vgl. F. Bovon, Une nouvelle citation des Actes de Paul chez Origène, in: Apocrypha 5 (1994) 113-117. 14 Vgl. APaulThecl 3 (AAAp 1,237). 15 Vgl. P. Zanker, Die Maske des Sokrates. Das Bild des Intellektuellen in der antiken Kunst, München 1995, 284-286 und E. Dassmann, Art. Paulus IV, in: RAC 26 (2015) 1230f. 16 Vgl. G. Schöllgen, Der Eros der Jungfräulichkeit. Zum Konzept der sexuellen Askese in den sogenannten Thekla-Akten, in: Im Gedächtnis der Kirche neu erwachen. FS G. Adriányi, hg. v. R. Haas u. a. (BoBKG 22), Köln 2000, 597-606, hier 599-602. – Ähnliche Vorstellungen kennzeichnen auch andere apokryphe Apostelakten, vgl. Y. Tissot, Encratisme et actes apocryphes, in: F. Bovon/M. van Esbroeck u. a., Les actes apocryphes des apôtres. Christianisme et monde païen (PFTUG 4), Ge 1981, 109-119; G. Schöllgen, Art. Jungfräulichkeit C I f, in: RA 19 (2001) 558-562. 17 Vgl. Theißen, Erleben (wie Anm. 8), 450; E. Esch-Wermeling, Thekla – Paulusschülerin wider Willen. Strategien der Leserlenkung in den Theklaakten (NTA NF 53), Münster 2008, 250f. 18 Or. mart. 1 (WDO 22, 30 Koetschau/von Stritzky). Zur Einführung vgl. neben der Einleitung in der genannten Ausgabe auch E. dal Covolo, Art. Maritirio, in: A. Monaci Castagno (Hg.), Origene. Dizionario. La cultura, il pensiero, le opere, Rom 2000, 266-268. 19 Vgl. K. P. Johne (Hg.), Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des römischen Reiches im 9. Jahrhundert n. Chr. (235-284). Ein Handbuch, Berlin 2008. 20 S. zum Kontext meine Skizze: H. R. Seeliger, „Das Geheimnis der Einfachheit.“ Bild und Rolle des Märtyrers in den Konflikten zwischen Christentum und römischer Staatsgewalt, in: F. W. Graf/K. Wiegandt (Hg.), Die Anfänge des Christentums, Frankfurt a. M. 2009, 339-372. 21 Mart. 47 (104 f). 22 Vgl. Or. princ. 2, 8,5 (TzF 24, 398 Görgemanns/Karpp); zur Einführung: G. Sfameni Gasparro, Art. Anima, in: Origene. Dizionario (wie Anm. 18), 16-21 sowie die Bemerkungen von Ch. Hengstermann in der Einleitung zu: Origenes, Die Homilien zum Buch Jesaja (OWD 10), Berlin 2009, 113f., und A.-Ch. Lund Jacobsen, The Constitution of Man according to Irenaeus und Origen, in: B. Feichtinger u. a. (Hg.), Körper und Seele. Aspekte spätantiker Anthropologie (Beitr. zur Altertumskunde 215), Leipzig 2006, 67-94. 23 Vgl. G. Gruber, ΖΟΗ. Wesen, Stufen und Mitteilung des wahren Lebens bei Origenes (MThS.S 23), München 1962, 217-222; P. Heimann, Erwähltes Schicksal. Präexistenz der Seele und christlicher Glaube im Denkmodell des Origenes (TBF 5), Tübingen 1988, 235-240. 24 Mart. 2 (30-32). 25 Vgl. Th. Kobusch, Art. Hegemonikon, in: HWP 3 (1974) 1030f. 26 Vgl. dazu Merki, ὉΜΟΙΩΣΙΣ (wie Anm. 5), 61f. 27 Vgl. die entsprechenden Quellenangaben zu Origenes bei K. S. Frank, ΑΓΓΕΛΙΚΟΣ ΒΙΟΣ, Begriffsanalytische und begriffsgeschichtliche Untersuchung zum „engelgleichen Leben“ im frühen Mönchtum (BGAM 26), Münster 1964, 126-130. 28 Vgl. H. Crouzel, Die Jungfräulichkeitslehre des Origenes, in: Schol. 38 (1963) 18-31, hier 26; Ders., Virginité et mariage selon Origène (ML.T 58), Paris 1962, 109-112 29 H. J. Vogt, Warum wurde Origenes zum Häretiker erklärt? Kirchliche Vergangenheitsbewältigung in der Vergangenheit, in: L. Lies (Hg.), Origeniana quarta (ITS 19), Innsbruck 1987, 78-99; erneut in Ders., Origenes als Exeget, Paderborn 1999, 241-263. 30 In seinem ingeniösen Aufsatz Useful and Beautiful. A Reading of Gregory of Nyssaʼs On Virginity and a Proposal for Understanding Early Christian Literature, in: IThQ 79 (2014) 219-240 findet M. Ludlow viele Züge eines Epithalamiums (Hochzeitslied); dies geht vielleicht etwas weit. Gregor bezeichnet, was er schreibt, selbst als ἐγκώμιον τῆς παρθενίας (Pr. 1 [SC 119, 248, 15, Aubineau]) bzw. ἐγκωμιαστικὸς λόγος, geht von diesem aber dann zum Traktat (λόγος) über, weil er eine rein rhetorische Form angesichts des Gegenstands für unangemessen hält (2,2 [266,1]). Dennoch ist das kleine Werk insgesamt sehr kunstvoll: vgl. die vorzügliche Einleitung von M. Aubineau in SC 119, 87-94. Eine Übersetzung bietet W. Blum in BGrL 7, Stuttgart 1977, 81-153. Zur Einführung: L. F. Mateo-Seco, Art. De virginitate in: Ders./G. Maspero (Hgg.), Gregorio di Nissa. Dizionario, Rom 2007, 218-220; ebd. 117-129, auch eine ausgezeichnete Biografia di Gregorio di Nissa von P. Maraval. Zu Gregor bzw. De virg. s. auch E. Pagels, Adam, Eva und die Schlange. Die Theologie der Sünde, Hamburg 1991, 180-182 sowie ausführlicher P. Brown, Die Keuschheit der Engel. Sexuelle Entsagung, Askese und Körperlichkeit am Anfang des Christentums, München 1991 (auch dtv-Wissenschaft 4627, München 1994), 296–311. 31 Vgl. P. Maraval, Art. Cronologia delle opere, in: Gregorio di Nissa. Dizionario (wie Anm. 30), 185. 32 Vgl. dazu die Einführung in Basilius von Caesarea, Die Mönchsregeln. Hinführung u. Übers. v. K. S. Frank, St. Ottilien 2/2010, 46-55. 33 P. Huybrechts, Le „Traité de la virginité“ de Grégoire de Nysse. Idéal de vie monastique ou ideal de vie chrétienne?, in: NRTh 125 (1993) 227-242. 34 Ausführliche Analyse der Quellenlage zu Gregors Ehe durch Aubineau in der Einleitung seiner Ausgabe in den SC 119, 65-76. 35 Ich folge hier der Interpretation von V. A. Karras, A Re-Evaluation of Marriage, Celibacy, and Irony in Gregory of Nyssaʼs On Virginity, in: JECS 13 (2005) 111-121; in eine ähnliche Richtung geht die Interpretation von M. Hoch, ‚Reinheit‘ und ‚Ordnung‘. Leibliches und seelisches Dasein in den Schriften de virginitate, vita Sanctae Macrinae, de anima et resurrectione, de hominis opificio und der oratio catechetica magna des Gregor von Nyssa (Theos 107), Hamburg2013, 75-227. – Die erläuterte „sexuelle Hierarchie“ ist weit über Gregor hinaus Allgemeingut christlicher Vorstellungen: vgl. R. St. Evans, Sex and Salvation. Virginity as a Soteriological Paradigm in Ancient Christianity, Lanham MD/Oxford 2003,73. 36 Virg. 14,1 (SC 119, 432); eindrückliche Interpretation der Stelle bei Brown, Keuschheit (wie Anm. 30), 306-311. 37 S. dazu J. A. Francis, Subversive Virtue. Asceticism and Authority in the Second-Century Pagan World, University Park PA 1995, der das Entstehen asketischer Autorität eindrucksvoll erläutert hat. 38 Virg. 11,5 (392-394). 39 Ebd. 18,4 (476, 24f). – Die Hochschätzung der enthaltsam gelebten Ehe findet sich auch im syrischen Christentum; vgl. Aphr. Dem. 6,4 (FC 5/1, 190f. Bruns): „in Heiligkeit leben“ bezeichnet hier die sexuelle Abstinenz in der Ehe (freundlicher Hinweis von N. Kavvadas) und wird hier pneumatolgisch begründet: nur die Askese sichert den in der Taufe erworbenen Geistbesitz auf Dauer (vgl. ebd. 180). 40 Virg. 4,8 (328-330). 41 Vgl. dazu K. Alt, Weltflucht und Weltbejahung. Zur Frage des Dualismus bei Plutarch, Numenios, Plotin (AAWLM.G 1993, 8) Mainz 1993, 204-245; Ch. Elsas, Neuplatonische und gnostische Weltablehnung in der Schule Plotins (RVV 34), Berlin 1975, 70-72. 42 Plot. En. 2,9 [33], 9,6–11 (PhB 213a, 128 Harder). 43 Vgl. das von Aubineau in der Einleitung zu seiner Ausgabe zusammengestellte Material SC 119, 103-118; weiteres bei Merki, ὉΜΟΙΩΣΙΣ (wie Anm. 5), 49-60. 44 Epict. Diss. 3, 22,67-82 (BT 306-309 Schenkl); übers. in: Epiktet, Ausgewählte Schriften, hg. v. R. Nickel, Zürich 1994, 221-225. Vgl. M. R. Barnes, The Burden of Marriage and Other Notes on Gregory of Nyssaʼs On Virginity, in: SP 37, Leuven 2001, 12-19, hier 15; zu Epiktet vgl. Francis, Virtue (wie Anm. 37), 14-19. 45 Vgl. Ch. Markschies, Hellenisierung des Christentums. Sinn und Unsinn einer historischen Deutungskategorie (Forum ThLZ 25), Leipzig 2012, hier 121. Vgl. zu dieser Studie meine Rezension in: ThQS 193 (2013) 181f. sowie die von P. Gemeinhardt in: ZKG 125 (2014) 390-392. – Auch innerhalb der orthodoxen Theologie gibt es eine Diskussion um den „Hellenism“ in der Theologie bei G. Florovsky, Christianity and Culture, Belmont MA 2/1974, 121-130 (freundlicher Hinweis von N. Kavvadas). 46 Porph. abst. 1, 29,4 (Coll. Budé: Porphyre, De lʼabstinence 1,64 Bouffartigue), übers. in: Porphyrios, Über die Enthaltsamkeit von fleischlicher Nahrung, übers. v. E. Balzer, neu hg. v. D. Weigt, Leipzig 2004, 46. 47 Vgl. P. Hadot, Antike Methodik der geistigen Übungen im Frühchristentum, in: Humanistische Bildung 4 (1981) 31-62; Ders., Wege zur Weisheit oder Was lehrt uns die antike Philosophie?, Frankfurt a. M. 1999; vgl. auch: A. A. R. Bastiaensen, La philosophie comme règle de conduite chez païens et chrétiens, in: Chartae caritatis. FS Y.-M. Duval, hg. v. B. Gain (EAug. Sér. ant. 173), Paris 2004, 21-36. 48 Z. B. En. 2,9, [33], 6,8 und 44 (118; 120). 49 Gr. Thaum. pan. Or. 9 (115) – 12 (149) (FC 24, 170-184 Crouzel/Guyot); dazu C. Scholten, Psychagogischer Unterricht bei Origenes, in: Hairesis. FS K. Hoheisel (JAC.E 34), Münster 2002, 261-280. 50 Vgl. Theißen, Erleben (wie Anm. 8), 449; die psychologischen Überlegungen Theißens, 453–458 teile ich nicht. Ziel dieses Beitrags ist es im Gegensatz dazu, eine historische Erklärung des Enthaltsamkeitsideals zu liefern. 51 Vgl. G. Quispel, The Study of Encratism. A Historical Survey, in: U. Bianchi (Hg.), La tradizione dellʼenkrateia. Motivazioni ontologiche et protologiche, Rom 1985, 35-82; zur neueren Lit. vgl. die knappe Geschichte des Enkratismus bei I. Sahlmann, Der gefesselte Sexus. Weibliche Keuschheit und Askese im Westen des Römischen Reiches, Berlin 1997, 151-177, und Francis, Virtue (wie Anm. 37), 162-179, sowie die Lexikonartikel von G. Schöllgen, Art. Jungfräulichkeit C I g: Enkratismus und Verwandtes, in: RAC 19 (2001) 562–564, und St. Heid, Art. Enkratiten, in: LThK3/(1995) 675f. 52 H. Chadwick, Art. Enkrateia, in: RAC 5 (1962) 343-365, hier 354f. 53 Heid, Enkratiten (wie Anm. 51), 676. 54 Vgl. dazu meinen eigenen Versuch H. R. Seeliger, Christliche Archäologie und Mentalitätsgeschichte, in: RivAC 62 (1986) 299-313 55 Kurienerzbischof Georg Gänswein bestätigte den Zusammenhang von Askese und Seelenlehre in einem Interview zur Fastenzeit 2016: „Wir Menschen sind eben nicht nur Corpus, also Fleisch, sondern auch Seele. (…) Die christliche Askese erinnert mich ,leibhaftig‘ an etwas, das gänzlich in Vergessenheit geraten ist: Leib und Seele bilden eine Einheit.“: http://www.focus.de/politik/deutschland/gaenswein-verzichtet-auf-suesses-und-guten-tropfen-dasfasten-der-sinne-hilft-den-blick-auf-das-eigentliche-zu-lenken_id_5272676.html (zuletzt eingesehen: 2. März 2016). 56 Prägnant zusammen gefasst bei D. Johner, Neue Schule des Gregorianischen Choralgesanges, Regensburg 1906, 9f. 57 Vgl. unter den wenigen Studien Th. Heimerl, Das Wort gewordene Fleisch. Die Textualisierung des Körpers in Patristik, Gnosis und Manichäismus, Frankfurt a. M. 2003; B. Feichtinger/H. Seng (Hg.), Die Christen und der Körper, Aspekte der Körperlichkeit in der christlichen Literatur der Spätantike (Beitr. zur Altertumskunde 184), Leipzig 2004, die geschichtswissenschaftliche Diss. von M. Pujiulla, Körper und christliche Lebensweise. Clemens von Alexandreia und sein Paidagogos (Millenium-Studien 9), Berlin 2006, sowie die amerikanische Studie von K. Harper, From Shame to Sin. The Christian Transformation of Sexual Morality in Late Antiquity (Revealing Antiquity 20), Cambridge MA/London 2013. – Das neue Buch von Ch. Markschies, Gottes Körper. Jüdische, christliche und pagane Gottesvorstellungen in der Antike, München 2016, stand noch nicht zur Verfügung. 58 A. Angenendt, „Mit reinen Händen“. Das Motiv der kultischen Reinheit in der abendländischen Askese, in: G. Jenal (Hg.), Herrschaft, Kirche, Kultur. Beiträge zur Geschichte des Mittelalters. FS F. Prinz (MGMA 37), Stuttgart 1993. 297-316, hier 297-301; Ders., Ehe, Liebe und Sexualität im Christentum. Von den Anfängen bis heute, Münster 2015, 67-80. 59 M. Foucault, Der Gebrauch der Lüste, Kap. I 3: Enkráteia, in: Ders., Die Hauptwerke, Frankfurt a. M. 2008, 1219. Die Foucault-Rezeption hat in der Theologie kaum begonnen, vgl. jetzt U. Engel, Pastoralmacht. Reflexionen mit Michel Foucault, in: WuA (M) 56 (2015) 163–169. Wie „Pastoralmacht“ sich ableitet vom Lebensstil, zeigt S. Elm, Sons of Hellenism, Fathers of the Church. Emperor Julian, Gregory of Nazianzus and the Vision of Rome (Transformation of the Classical Heritage 49), Berkeley 2012, 147-181: On the True Philosophical Life and Ideal Christian Leadership. Gregory’s Inaugural Address, Oration 2. 60 Vgl. dazu St. Heid, Zölibat in der frühen Kirche. Die Anfänge einer Enthaltsamkeitspflicht für Kleriker in Ost und West, Paderborn 3/2003.
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